Monat: Juli 2015
schon wieder nach mitternacht
und der mond ist rund und prall (am 31. ist vollmond).
heute bin ich ganz schön rumgegondelt mit dem alten peugeot. die handbremse funktioniert nicht und die tankanzeige schlägt wild aus zwischen halb voll und leer, obwohl ich für dreißig euro getankt hatte. beim bremsen aus höherer geschwindigkeit (ich fahr eh höchsteins 120) muß ich pumpen. leichte übung, mich darauf einzustellen, aber ich habe mit diesem auto zu wenig erfahrungswerte, um mich richtig zu entspannen.
ich hatte ein stelldichein mit einer inter-essanten donna, die auch schon alte kundin von emiko war. nachdem sie mich zuhause schon reich beschenkt hatte …
(unter anderem hat sie mein geliebtes himmelfarbenes leinenjackett, das ich immer zusammen mit dem weißen strampelanzug anziehe, sehr schön repariert und damit zu einem wirklichen einzelstück veredelt. ich liebe solche handschriftlichen spuren auf meinen kleidern!)
… sind wir zusammen zu emiko gefahren. ich habe mich mit ihr beratschlagt über mögliche anwendungen und sie als (meine) neue kundin dort eingeführt. und gleichzeitig konnte ich – letzte gelegenheit vor meiner fahrt nach norden – meine vorräte für den omnibus auffüllen. die abwicklung der unterschiedlichen geschäfte war dann so lebhaft mehrgleisig, daß ich einen posten vergessen habe (das wird jetzt kompliziert).
unseren breitbandigen analogen austausch haben wir dann noch mit üppigen eisbechern gekrönt.
das unsichtbare komitee
hat mich in seinem bann – das sind wahre zeitgenossinnen (mich würde das weibchen / männchen-verhältnis bei denen inter-essieren). vor einigen jahren haben sie unter dem gleichen namen eine flugschrift herausgegeben. die hieß: „der kommende aufstand“ … die hat sich auch viral im netz verbreitet.
inzwischen sind sie an allen brennpunkten & krisenherden persönlich dabeigewesen und berichten sehr nüchtern und unverhohlen von ihren erfahrungen & einblicken. die sprache ist klar und musikalisch, eindeutig die frucht einer anspruchsvollen kollektiven improvisation, die das äußerste herausgeholt hat. total unideologisch & eigenwillig.
und dann schenken sie uns diesen ganz besonders inter-essanten erfahrungsschatz unter dem titel: „an unsere freunde“ ! ich finde das sehr schön & gelungen – seine wahrnehmungen zur allgemeinen verfügung stellen und das noch mal veredelt durch die kollektive anonymität. faszinierend !
aufm hof
inzwischen bin ich wieder bei michael auf dem hofe, auch so eine art von zuhause.
mittags war der omnibus fertig (na, ja – es entweicht weiterhin luft aus dem system. und die frage des öl schwitzenden getriebes ist noch immer nicht geklärt) – ich habe eine ausführliche runde gedreht und dann die radmuttern von den hinterrädern schon ein erstes mal mit dem drehmomentschlüssel nachziehen lassen.
und dann den omnibus aufm hof installiert und mit dem achtziger-jahre-peugeot besorgungen gemacht – petrasilie usw.
jan hat mich mit seinem öl-nachfüllen ganz paranoid gemacht und die tankanzeige schwappt zwischen einem viertel und null hin und her. ansonsten ist das auto ein segen.
heute habe ich die tagebücher von ruth andreas-friedrich zuende gelesen – ich bin erschüttert von ihrem schicksal und für immer beeindruckt von dieser frau. ich will noch mehr über sie erfahren. sie hat mich wahrhaft eines besseren belehrt: ich konnte mir nie vorstellen, daß es während des tausendjährigen reichs nicht auch ein unspektakuläres netzwerk unabhängiger geister gegeben hat, das aktiv & pragmatisch widerstand geleistet hat, mit vollem risiko. die einzigen zeugen, die ich dafür hatte, waren otl aicher und arno schmidt – beide ganz bewußt nicht abgehauen während der nazizeit und beide sehr gute beobachter. aber diese frau war viel mutiger als sie, eine richtige amazone. und sie hat nach dem krieg die erste frauenzeitschrift herausgegeben.
ich mag mich nicht zuviel mit geschichte beschäftigen, weil sie immer verzerrt ist. den einzig-möglichen zugang zur geschichte bieten biografien, am besten selbst erzählte. wie die von maria mies, die ich diesen winter gelesen habe. aber tagebücher sind noch einmal etwas anderes: sie sind wie beobachtungsposten in einer anderen zeit. für mich war das sehr aufschlußreich und ermutigend. wieder so eine tolle frau !
als nächstes werde ich wahrscheinlich eine flugschrift vom „unsichtbaren komitee“ lesen, „an unsere freunde“ – hab ich letztens im museum gekauft.
back home
nach zwei nächten, die ich bei brigitte in witten verbracht habe, bin ich jetzt wieder zurück im omnibus, dem jetzt nur noch ein reifen fehlt:
„mäus’chen“ kümmert sich darum.
genau: der hat mir doch am anfang der tour dieses wunderbare alte werkzeug geschenkt (ich habe darüber berichtet und auch erklärt, daß sein spitzname daher rührt, daß er der einzige „normal“ große, etwas füllige mann unter den riesen hier in der werkstatt ist)
also werde ich noch mindestens zwei nächte hier in der werkstatt sein, ehe ich montag irgendwann den omnibus wieder rüber zum michael stellen kann.
draußen braut sich ein orkan zusammen und es ist wirklich ungemütlich. aber ich habe jetzt eine doppelte haut – und damit eine beruhigende distanz zur außenwelt. ich habe ein paar milliarden kleiner helferinnen versprüht, um ein schönes heimkommen zu erleben. ich habe ein- & aufgeräumt, die gasflasche gewechselt und den ersten teil (circa 250 seiten) der tagebücher von ruth andreas-friedrich (1938 bis 1948) zuende gelesen: ein funkelndes zeugnis einer todesmutigen & tatkräftigen auseinandersetzung mit den nazis. ganz persönlich. gewaltlos, aber zupackend und unermüdlich improvisiert. ein ehrlicher & klarer bericht über eine verschüttete zeit, mit der wir uns nicht auseinandersetzen wollen. hochinter-essant.
der erste teil endet mit der eroberung berlins durch die rote armee – ich bin jetzt ganz gespannt auf die unmittelbaren nachkriegsjahre, die tunlichst ganz verschwiegen werden und so wichtig sind, weil sie soviele ungenutzte chancen bergen. ich würde gern die heutige und die damalige zeit ausführlich vergleichen und möglichst viele irrtümer entlarven und zweifel beseitigen, als hilfe für die jetztzeit – es geht um die wirksame lebenspraxis heute und jeden tag.
jetzt fühle ich mich hier wieder wohlig zuhause.
in der zwischenzeit habe ich noch analogen abschied genommen von sofia: sie hat mich am freitag vormittag zusammen mit leon bei brigitte abgeholt und wir sind bei zunehmend heißem wetter zu meiner wohnung gefahren, für die ich die kündigung zum 30. september 2015 erhalten habe. dort sind noch meine sachen – und viele bücher. ich liebe diese wohnung und wollte sie sofia zeigen (auch als zufluchtsort). da stand dann das auto des mannes, der mir die kündigung ausgehändigt hat. dem wollte ich nicht begegnen. also haben wir erstmal einen schönen spaziergang am rhein entlang gemacht. wir haben flache steine auf der wasserfläche springen lassen. für mich ist es immer seltsam, die landschaft mit der üppigen vegetation des sommers wahrzunehmen – ein völlig anderes bild !
dann war der vermieter weg und wir konnten in die wohnung. ich habe sofia & leon alles gezeigt und erklärt und sofia den schlüssel übergeben. im haus habe ich noch cynthia getroffen, die meine liebe vermieterin clara in der letzten zeit betreut hat, bevor sie ins altersheim geschoben wurde. sie hat mich auf den neuesten stand gebracht und will clara von mir grüßen.
wir haben in rodenkirchen am rhein noch etwas gegessen & getrunken, dann haben die beiden mich am kölner hauptbahnhof abgesetzt und ich habe mich noch ein wenig um den dom herumgetrieben und war im laden des museum ludwig
anschließend bin ich mit dem zug nach witten zurückgefahren und habe jan im (….) besucht. dann begab es sich, daß jan mir einen peugeot aus den achtziger jahren angeboten hat, mit dem ich ab heute herumkutschieren kann wie ich will !!!
die wohnungsfrage rückt mir immer mehr auf die pelle. ich kann jeden monat 300 euro zahlen und wäre nur etwa vier monate da. der raum kann von der wie auch immer gearteten gemeinschaft genutzt und zeitweise vermietet werden. ich habe viele bücher, die allen zur verfügung stehen. es muß auch keine gemeinschaft sein – ich kann sehr gut alleine leben und bin ein ziemlicher eigenbrötler. und ich will auf jeden fall rauchen in meinem zimmer. das ambiente bevorzugt urban, jedenfalls was die mobilität und verbindung nach außen angeht – weil ich kein auto habe und flexibel sein muß. am liebsten wäre mir ein mensch, mit dem ich in gutem einvernehmen stehe und der sich deshalb eine großzügigere wohnung leisten kann. da können wir meinethalben alles vergesellschaften!
vielleicht hat das netzwerk ja was zu bieten ?
während ich das schreibe, sitze ich zuhause und fühle mich pudelwohl.
nacht in der werkstatt
der omnibus steht jetzt in der werkstatt und ich habe die letzte nacht dort verbracht – ein schön-eigenartiges ambiente:
so’n richtiger jungs-traum, sich da mal umzusehen. er endete dann relativ abrupt um 7:00 uhr heute morgen – und das frühstück habe ich lieber ausfallen lassen … und bin zu brigitte gefahren (wir hatten einen gemeinsamen termin bei saskia: konrad, brigitte & ich) und ich konnte ihr bei der gelegenheit ihr auto zurückgeben.
jetzt hoffe ich sehr, daß der omnibus spätestens morgen abend fertig ist, damit ich wieder richtig einziehen kann, denn ich will noch einiges in meiner vertrauten umgebung erledigen.
diese nacht bleibe ich in witten, weil ich morgen mit sofia & leon verabredet bin (sofia fährt am samstag nach frankreich und ist dann erstmal weg).
mit sofia
habe ich heute einen schönen tag in der zeche zollverein verbracht – sie sah umwerfend aus: stilvoll frech gekleidet, mit einem kessen hütchen, das sie dann aber doch die meiste zeit in der hand gehalten hat. ich hätte sie fragen sollen, ob ich sie fotografieren darf, dann wüßtest ihr alle genau, was ich meine. sie erinnert mich immer mehr an „y.t.“, die skaterin aus „snow crash“, einem meiner lieblingsromane.
mir fiel nur der name nicht ein – also habe ich mit meinem eifohn rumgefummelt, bis ich diesen eintrag aus „wikipanion“ hier reinkopiert hatte:
(((
Y.T. – Die Tochter einer FBI-Beamtin, die sich als Spitznamen die Abkürzung für den Briefgruß âYours Trulyâ zugelegt hat – ihren echten Namen erfährt man nie – ist eine Kurier-Fahrerin. Sie surft mit ihrem Skateboard durch die Straßen, indem sie mit einer magnetischen (Har)Pune Autos âpuniertâ. Außer ihrer Pune und ihrer Planke trägt sie noch eine Vielzahl anderer Ausrüstungs- und Schutzgeräte am und im Körper, z. B. Hals-Airbags und eine
Dentata.
)))
übrigens: „snow crash“ kann ich nur wärmstens empfehlen … (am besten im original).
wir haben uns zuerst eine design-retrospektive bis zu den anfängen angeschaut (im eingangsbereich stand ein lustiger kleiner ventilator von peter behrens mit kupfernen flügeln, der wie ein individuum wirkte). dann gab es die schön gewölbten bosch-kühlschränke aus den fünfziger jahren (der erste ist genauso alt wie ich).
was für mich erinnerungen waren, waren für sofia neuigkeiten – über diese resonanzen lernen wir uns immer besser kennen – wir ergänzen uns !
anschließend waren wir noch in dem von norman foster innen gestalteten kesselhaus, wo immer die mit dem „red dot award“ ausgezeichneten entwürfe (produkte) gezeigt werden. wir haben die zeit vergessen.
wir sind noch ein wenig durchs gelände gestreift, wo gleisanlagen unter charakteristischen pionierpflanzen verschwinden … und konnten gerade eben noch einmal die berühmte rote rolltreppe benutzen, die ich auch noch nicht kannte. mitten in der auffahrt verkündete eine lautsprecherdurchsage, daß das museum schließt – und wir konnten gleich wieder runter fahren.
wir haben noch in einem frisch eröffneten pizzaladen mit lieferservice (weit & breit gabs nichts besseres) gegessen (sofia war nachher übel). ich habe sie dann in essen am hauptbahnhof abgesetzt und war so gegen acht wieder am omnibus.
und jetzt ist es schon wieder so spät !
muße, allein
das kommt in meinem alltag eher selten vor. meine ständige sehnsucht danach bemerke ich erst, wenn ich ausgerollt bin und keine akuten termine habe.
heute morgen habe ich mich selbst überlistet:
wenn jemand bei mir ist, dann dränge ich immer darauf, möglichst früh aufzustehen. so kann ich meinen schlafmangel überspielen, indem ich mich wecken lasse und dann diszipliniert den tag beginne. wenn ich dann an einem solchen tag still sitze, fallen mir leicht die augen zu und ich schwimme weg ins reich der sekundenträume.
ich bin erst um viertel vor eins aufgewacht und hatte kaum schuldgefühle. es war sehr warm. für das ausgedehnte frühstück habe ich alle fenster & türen geöffnet und saß in einem linden lüftchen.
fünf minuten, bevor der bioladen zumachte, habe ich noch meine einkäufe erledigt und anschließend einen nachdenklich beschäftigten nachmittag verbracht. beim versprühen von ein paar milliarden helferinnen bin ich über lauter bilder gestolpert.
hinterm fahrersitz hatte leon ein sehr schönes kleines camus-bändchen entdeckt, das er jetzt endlich zu ende lesen konnte.
ich versuche derweil, die kommenden tage zu strukturieren, sobald ich weiß, welche äußeren umstände es gibt. und mache mir – wie sofia es ausdrücken würde – tuhduhlisten.