endlich muߟe

ich habe spontan entschieden, daߟ wir nach hugolsdorf fahren. unsere besuche dort scheinen auf eigenartige weise mit fuߟballmeisterschaften zu korrelieren – wir haben da mal ein weltmeisterschaftsendspiel angeschaut. sozusagen in einem geschützten feld. das paߟte mir damals wunderbar in den kram.

eine insel der ruhe & beschaulichkeit. tiefste ost-provinz. ich atme wirklich auf. für mich ist das ein echtes gasthaus – wie bei bolo‘ bolo. wir sind willkommen und mit allem versorgt. wir brauchen keinem programm zu folgen und fühlen uns ganz frei. 

und wenn es denn klappt, kommt theo mit seiner frau hier vorbei und wir können endlich mal reden.

abstecher

auf dem weg nach rügen wollte ich gern meinen alten freund theo altenberg besuchen, den ich jetzt 20 jahre nicht gesehen habe, obwohl wir beide voneinander wuߟten …

das war schwieriger als ich dachte. er wohnt im nirgendwo in mecklenburg, wo nur winzige sträߟchen hinführen und er auch erstmal keinen platz für den omnibus finden konnte, denn wir wollen ja am wochenende auch putzen & aufräumen und brauchen dafür strom & wasser.

also haben wir eine nacht in kühlungsborn auf einem omnibus-parkplatz verbracht – nahe beim ostseestrand, wo wir uns zusammen mit den touristen den sonnenuntergang angeschaut haben:

das ist ein seltsamer ort: die nazis haben unter dem schwülstigen namen kühlungsborn drei stranddörfer zusammengefaߟt, die vorher heftig konkurriert hatten, um eine rechte „kraft durch freude“-stadt aus dem boden zu stampfen für die ferien der massen. die stadt hat den längsten zusammenhängenden strand hier in der gegend … und die besiedlung umschlieߟt halbkreisförmig einen stadtwald. die ganze installation hängt an der ost-west-achse, die gleichzeitig der strand ist.

wir hatten das gefühl, daߟ da seit zehn jahren nur noch parkhäuser gebaut worden sind (die bilden richtige stadtviertel). als fuߟgänger fühle ich mich backstage sehr unerwünscht und onstage angebrüllt von konsumlärm.

wir wollten da weg.

 

schweriehn

in aller pracht sitzt bräsig hier die macht mit ihrer klonkriegerarmee aus dem westen und den unvermeidlichen wendehälsen. die wissen, sich alles bequem einzurichten. premium-konsumenten. wie gesagt: inmitten von seen & teichen. es ist schön hier und läߟt sich gut leben. aber den landtag finde ich wirklich schamlos.

heute hatte lukas seinen siebzehnten geburtstag und seinen letzten tag am omnibus. gegen mittag ist er in die eisenbahn nach hause eingestiegen – eine lange fahrt und ein groߟteil seines geburtstages. naja, ich denke, sie werden ihm einen tollen empfang bereiten. lukas ist vegetarier, doch an seinem geburtstag oder so einmal im jahr will er fleisch essen.

er wird für den rest seines praktikums bei  brigitte im büro arbeiten. hier ist er mit seinen krükken voll eingestiegen in die arbeit und hat sich viel mühe gegeben. die arbeit lief hand in hand, mit lustigen neckereien im hintergrund. und immer wieder aufgelockert durch fallende krükken. er ist richtig viel gelaufen, meist mit nur einer krükke – eine echte ballettnummer, die ich mir immer gern angesehen habe, indem ich bei den spaziergängen hinter ihm gelaufen bin. jedenfalls bin ich jetzt froh, daߟ er in unserer drangvollen enge nicht beschädigt wurde.

ich hatte einen termin mit einer fremden frisöse – das ist immer spannend. sie hieߟ jana und war total professionell. sie hantierte so virtuos mit einem rasiermesser, daߟ sie sofort eine lieblingsfantasie auslöste: von einer schönen frau nach allen regeln der kunst mit dem messer barbiert zu werden – wie im wilden westen.

schwerin

heute muߟten wir uns schon wieder umstellen: auf unserem platz fuhr stunden später eine parade von oldtimern auf, unter anderem ein heckflossenmercedes 190 d, aber nicht mit durchgehender bank vorn, wie mein geliebter hellblauer in den siebzigern. 

der betrieb war mäߟig. christoph hat uns mit dem fahrradanhänger die pakete vorbeigebracht und inter-essiert unseren gesprächen gelauscht. maike muߟte sich einen arzt suchen für eine weitere impfung für nicaragua.

nach der arbeit sind wir in die bergstraߟe gelaufen, wo nellie & christoph und die drei kinder zusammen mit einer genauso groߟen familie ein verschachteltes altes fachwerkhaus mit langem garten und anbauten gefunden haben, ein echter glücksgriff in einer heute voll durchgentrifizierten schmucken gepflasterten straߟe mit lauter architekturbüros und schicken kleinen läden. einiges ist zu tode restauriert, aber das haus fällt durch eine leicht asymmetrische liebenswürdigkeit ins auge. für die kinder ist es ideal.

nellie hatte ein lekkeres abendessen mit buntem gemüse & fisch zubereitet (und eine extraportion ohne fisch für lukas). der jüngste sohn, dessen namen ich mir noch nicht gemerkt habe, war bei meinem letzten besuch noch ein säugling. an den kindern kann ich immer ganz unmiߟverständlich ablesen, wie die zeit vergeht – an der peripherie meiner gegenwärtigkeit.

die jungs sind nach dem essen ziemlich bald zum omnibus zurückgelaufen. maike hat geduscht und war dann auch weg, als ich mit duschen & rasieren durch war, so daߟ ich ausführlich gelegenheit hatte, mich in aller ruhe mit nellie & christoph auf den neuesten stand zu bringen. ich muߟte mich richtig losreiߟen …

jetzt ist es mal wieder spät und ich muߟ ins bett.

schöne bescherung

bei der aktion mit den schweizern in berlin haben sich die aktivisten einen handfeger und ein kehrblech bei uns ausgeliehen. ich hatte gezögert und darauf hingewiesen, daߟ schon öfter sachen auf nimmerwiedersehen verschwunden sind – und so war es dann am nachmittag auch: niemand wuߟte etwas und es war dem jungen mann, mit dem ich gesprochen habe, richtig peinlich, mit leeren händen vor mit zu stehen.

dann hat die mutter von philip kovce es zu ihrer persönlichen aufgabe gemacht, für ersatz zu sorgen … und heute kam ein paket mit einer netten karte:

in den lieben osten

auf der fahrt über hamburg hat es immer wieder heftig geregnet – maike & lukas waren oben und haben geschlafen und mathias war mein lotse. heute hat er zum ersten mal auf dem platz gleich hinter mir, wo die gasflaschen drunter sind, gesessen. wir haben immer was zu reden. er ist ein naturbursche, vollkommen ideologiefrei. aber er will seinen fragen ganz praktisch auf den grund gehen. für unsere arbeit ist er wie geschaffen.

ich freue mich, wieder im osten zu sein. gerade in schwerin, der seltsamen landeshauptstadt von mecklenburg-vorpommern. es ist geradezu lächerlich, daߟ rostock nicht die hauptstadt geworden ist, aber auch die linken haben sich ködern lassen mit diesem kitschigen harry-potter-schloߟ, grobschlächtig & maߟlos den loire-schlössern nachempfunden. heutzutage kann ich überall die administratoren riechen. die haben sich hier eingenistet. ringsum sind seen & teiche.

ein omnibus-oldtimer hat hier mit seiner familie berufung & zuhause gefunden: christoph bai, der in den anfangsjahren viel mitgefahren ist und unsere verbindung zum ottersberger bahnhof begründet hat. mit christoph zusammen habe ich mein erstes weiߟes ibook erworben. für ihn war die didaktik unserer arbeit immer eine wichtige frage. er hat unter anderem theaterpädagogik studiert. heute ist er ein intrinsisch motivierter klassenlehrer an der waldorfschule hier. auf unseren austausch und das wiedersehen mit der ganzen familie freue ich mich schon sehr. morgen sind wir da zum essen eingeladen.

nach dem essen sind wir zum ersten mal seit wochen ins kino gegangen: nice guys. zwei hochkaräter spielen gescheiterte, dysfunktionale existenzen: russell crowe & ryan gosling. los angeles in den siebziger jahren – und dann spielt auch noch ein frühes alfamädchen die dritte hauptrolle. und kim basinger als böse & kalte mutter. das war durchaus eine amüsante abwechslung. den darstellern hat es wahrscheinlich mehr spaߟ gemacht als ein mainstream-schinken. aber die story war doch arg konstruiert.

markttag

ich hatte das gefühl, daߟ der betrieb bei uns erst losging, als der markt vorüber war. am nachmittag gab es noch mal einen schwall, der uns dann knapp über die runden gerettet hat. ich erinnere mich an viele solche tage und merke, wie sehr mir diese gymnastische übung des täglichen schreibens hilft, allfällige anspannungen loszuwerden und schön lokker zu bleiben … und mich auf mecklenburg-vorpommern zu freuen.

runter vom gas

eine metabolistische umstimmung geht vonstatten: aus der hochtourigen anspannung der letzten wochen müssen wir runter, bis der motor nur noch wohlig blubbert – um dann die gegenwart weit zu dehnen und die kleinste kleinigkeit zu genieߟen. ich gewöhne mich gerade um: da ist ein anderer energiehaushalt notwendig, anspruchsvoll entspannt. tricky. 

die arbeit läuft prima, aber es kommen nur sehr wenige menschen zu uns – das ist schwer auszuhalten. wenn ich ungeduldig werde, bin ich nicht mehr lokker und nehme mich in acht. ich weite meine aufmerksamkeit … und prompt kommen die schönsten ereignisse:

am nachmittag kam katrin und brachte mir zwei sehnsüchtig erwartete pakete mit büchern und mit goldenen plakaten aus der schweiz. die waren leider verknikkt – ich habe sie noch mal ganz eng aufgerollt und hoffe, sie glätten sich wieder ein wenig. zur not lasse ich ein paar milliarden unsichtbare helferlein drauf los.

katrin hat mich im auto in die stadt mitgenommen – die letzte gelegenheit, mir einen lange gehegten herzenswunsch zu erfüllen: eine digitale schiefertafel zum schreiben mit der hand. state of the art.aufs äuߟerste komprimierte technik, mit der ich an den schnittstellen von analog & digital experimentieren kann. ein wahrer freund hat mir die mittel geschenkt (bin mal gespannt, was mein steuerberater dazu sagt).

nachdem ich mit unerwarteten hindernissen und an mehreren orten meine einkäufe komplettiert hatte, habe ich mich mit stephan getroffen, der hier in bremen studiert. ein prachtexemplar aus dem klub der gutmütigen riesen.  wir sind zusammen zum hauptbahnhof gelaufen, an den ich aufregende erinnerungen habe. mit dem zug sind wir nach vegesack gefahren. die anderen hatten schon mit der zubereitung von röstis begonnen – dicke luft im omnibus. zum rauchen bin ich nach drauߟen gegangen. wir haben kräftig durchgelüftet und dann lebendig-unterhaltsam miteinander gegessen. es war lekker. maike läߟt sich immer richtig was einfallen beim kochen: heute gab es eine köstliche risotto-variation von ihr. kompliment!

wir muߟten dann den omnibus noch umsetzen, weil heute markt war und der fischhändler unseren platz beanspruchte. anschlieߟend haben wir alle zusammen (lukas mit zwei krükken) stephan zum bahnhof gebracht, mit dem sich alle trefflich verstanden haben. es hat mich sehr gefreut, ihn wiederzusehen und in der stadt und auf der zugfahrt auch ausführlich ganz allein erleben zu können.