die viertorige stadt

das ist auch der titel eines meiner lieblingsbücher von doris lessing, umfangreicher höhepunkt einer fünfteiligen romanreihe und durchbruch in die nahe (?) zukunft. das ist der touristische slogan von neubrandenburg. vor über zehn jahren war ich das letzte mal hier. in der zwischenzeit ist hier der kommerz voll durchgebrochen:

dabei war der marktplatz als architektur-ensemble das modernste, was die ddr-architektur hervorgebracht hat – mit einem hochhaus, dem haus der kultur und bildung und einem hotelriegel, der jetzt schon einer weiteren konsumhölle weichen soll. ich habe das damals verglichen mit dem, was egon eiermann in den sechziger jahren im westen gebaut hat. bemüht modern, mit technoiden anwandlungen. zu ddr-zeiten war allerdings ein schöner springbrunnen und viel mehr grün hier und es gab baumgesäumte boulevards. jetzt habe ich erfahren, daߟ das ensemble von einer frau entworfen wurde und ich verstehe, daߟ es kontrapunktisch zu verstehen ist zu der historischen kreisrunden wallanlage mit den vier toren und sogenannten wiekhäusern in der erhaltenen, elf meter hohen stadtmauer. auߟerhalb der mauer gibt es jede menge monströse plattenbauten, denn die stadt wurde im zweiten weltkrieg heftig bombardiert. in der wallanlage gibt es uralte baumriesen, an die ich mich auf meinem spaziergang für eine weile angelehnt habe.

ironie des schicksals: ich durfte im vorigen jahr das gesamte ensemble der ulmer hochschule für gestaltung einschlieߟlich der meisterhäuser kennenlernen. gebaut 1953. diese plattenbauten, fast so alt wie ich, sind das modernste, was ich kenne. einsame klasse.

jetzt ist alles kalt & kahl. und es gibt da, wo früher das grün war, eine neue riesige konsumhölle. der springbrunnen muߟte einem dieser unvermeidlichen computerbescheuerten fontänenfelder weichen, die man von der stange kaufen kann. manchmal nutze ich sie für eine unterbodenwäsche. alles ist mit von sklaven in china produzierten platten ausgelegt. igitt.