mea culpa

ich habe den tod einer üppigen hortensie auf dem gewissen – sie akzentuierte perfekt die märchenhafte atmosfäre. ich habe mich damit getröstet, daߟ ich nun seit zwei jahren keine rosen mehr gemordet habe, seit die rose, ohne die wir es bekanntlich nicht tun, eine von frauen aus dem erzgebirge vor langer zeit in heimarbeit kunstvoll angefertigte rose ist, an der ich meine helle freude habe, weil sie beweist, daߟ wir heilung in der kunst finden können.

dankbar schenke ich den lebendigen artgenossinnen meine volle aufmerksamkeit und fertige meine eigenen morfos an.

die letzte nacht an der milde

ist jetzt angebrochen und die teilnehmer des potentiale festivals haben sich in alle winde zerstreut.

da ganz hinten in der groߟen scheune habe ich gestern nacht getanzt – im innenhof brannte ein feuer in einer groߟen metallenen schale, die wie ein wok aussah.

heute mittag gab es dort ein veritables abschluߟkonzert der „all stars“, die bedauerten, daߟ sie nicht schon früher alle zusammen gespielt hatten. in bester stimmung haben sich alle verabschiedet und gabriele & ich hatten zeit für uns und unsere ortserkundungen.

archetypisch

sieht das nicht aus wie eine szene aus „herr der ringe“ ?

heute habe ich mich mit dem pfarrer der uralten feldsteinkirche angefreundet – er ist hier in seiner heimat seit 28 jahren dorfpfarrer und hatte nie weiter gehende ambitionen. sein vater war bauer – später in der ddr war er in der lpg der einzige studierte agronom, hat sich aber damit zufrieden gegeben, als melker zu arbeiten. da ist es kein wunder, daߟ sein sohn ein echter seelsorger geworden ist.

als wir uns kennenlernten, hatte er erst mal die langweiligen standardargumente der sogenannten politikwissenschaftler abgespielt – war aber total hilfsbereit & freundlich. er hat uns an den strom angeschlossen und den weg zu den toiletten gezeigt. wir durften seine waschmaschine nutzen und er hat in unserem gespräch ernsthaftes interesse gezeigt und dankbar unsere informationen mitgenommen.

heute hat er dann vorsichtig & höflich gesprächsbedarf angemeldet und wir haben im omnibus zwei stunden intensiv miteinander über gott & die welt geredet und unser wesen abgeglichen. als erforscher von ddr-biografien habe ich viel gelernt und er hat meine arbeit verstanden und mir herzlich glück & erfolg gewünscht.

die kalber können sich glücklich schätzen, so einen friedfertigen & hingebungsvollen pfarrer zu haben.

ein sinnenschmaus

das potentiale festival ist ein sinnenschmaus und die milde macht ihrem namen alle ehre. ganz viele rheinländerinnen aus dem dunstkreis des moerser jazzfestivals sind hier und die genauso unbekannte partnerstadt in nordrhein-westfalen heiߟt neukirchen-vluyn das ist in meiner alten heimat. gemeinsame bekanntschaften tun sich auf und neue eröffnen sich. virtuose musikerinnen sind hier. aber die ersten konzerte, die ich gehört habe, klangen abgehackt & akademisch verkrampft – als ob die musiker schmerzen oder verdauungsstörungen hätten. untanzbar.

während wir beschwingt vor dem pfarrhaus standen und ich das buch von gandalf über den ballengang gelesen habe. hier hatte ich das beste pflaster zum üben …

in der schönen alten feldsteinkirche habe ich dann gestern nacht ein orgelkonzert angehört – links oben in dem hellen streifen ist unten ganz klein der kopf des organisten zu sehen:

heute wurden die konzerte immer besser und die musiker, die zum teil noch nie miteinander gespielt hatten, stimmten sich ein und sind frei & wild abgeflogen.

und haben mich im grauen zweireiher zum tanzen gebracht, vor allem meine nackten füߟe, denn nun konnte ich praktisch anwenden, was ich von gandalf gelernt habe. meine fesseln lösen sich und ich spüre einen neuen dynamo. horizonte öffnen sich.

kalbe an der milde

kosename: stadt der hundert brücken. das wetter ist hochsommerlich und die zeit träufelt gemächlich dahin. leicht gespenstische funkstille auf den digitalen kanälen …

da küssen mich die musen und ich arbeite an meinen morfologischen studien:

ich überlege, diese freien arbeiten „morfo“ zu nennen, neutrum, plural „morfos“ …

wie gern würde ich die mal ausgedruckt in den händen halten. das sind ja meine reportagen. ich komme einfach nicht dazu, meine bestellung aufzugeben. jetzt ist es zum beispiel wieder viertel vor drei – also: gute nacht allerseits

potentiale

das ist das wahrzeichen des ersten potentiale festivals in kalbe an der milde, das die unermüdliche corinna köbele auf die beine gestellt hat. thema: ost-west. sie hat – vor jahren aus dem westen kommend – in kalbe an der milde ihr zelt aufgeschlagen und sich behaglich niedergelassen. seitdem tut sie alles dafür, die potentiale & attraktionen von kalbe herauszuarbeiten und mit vielerlei angeboten die welt (auch in gestalt von geflüchteten & lebenskünstlern) nach kalbe zu locken und die kalberinnen aus ihren häusern. für sie ist das festival auch so eine art erntedank.

das ist ein tipi, das jeweils 20 frauen aus zwei weit auseinanderliegenden städtchen zusammen gestrickt haben. in ost & west. bunt & totemistisch. bescheiden & voller lebensfreude.

wir stehen gegenüber einer massiven neunhundertjährigen feldsteinkirche vor dem pfarrhaus, von wo wir auch mit strom & klos versorgt sind. wir haben ausgedehnte spaziergänge unternommen. an vielen stellen verwildern verlassene immobilien und werden von der natur verdaut, die im augenblick üppig aufblüht.

auch ich sehe lauter potentiale und bin eifrig am spinnen. zum beispiel würde ich gerne holger & gandalf mit freya & den enkelinnen & allen anderen interessierten in verbindung bringen.

und ich übe mich rund um die alte kirche sinnend im ballengang auf diesem höchst ausdruxvollen pflaster. shihatsu kann ich da nur sagen und mich stufe um stufe verbessern: