noch imma grimma

mit einem lieben gruß an brigitte: das ist der regionalladen in grimma!

gleich am ersten tag kam ein ewig jungenhaft wirkender mann im hemd aus dem gegenüber liegenden stadthaus und stellte sich als der bürgermeister vor. er hat uns herzlich begrüßt und bedauert, daß wir nicht am markttag dort stehen könnten.

er ist der kandidat einer freien wählergemeinschaft und schon einige jahre im amt. er scheint alle passanten zu kennen und ist rundum ansprechbar. er hat mir sein leid mit den über ihm liegenden hoheitsebenen geklagt und sich ehrlich für unsere arbeit interessiert. das gleiche gilt für die stadtkämmerin, die uns kurz danach besuchte.

am letzten tag – da war ich schon allein – kam der bürgermeister wieder und hat meine ausdauer bewundert. zur erinnerung hat er mir eine einkaufstasche, ein lebkuchenherz und einen kräuterlikör, den augustinermönche seit dem 13. jahrhundert dort hergestellt haben, geschenkt und mir für meine arbeit alles gute gewünscht.

nach diesem einmütigen abschied hat er noch flugs für die bundesweite volksabstimmung unterschrieben und auf dem rückweg in den schatten des stadthauses noch mit mindestens drei leuten geredet.

döbeln & grimma

hundert abenteuer später fällt mir ein, was diese beiden städte gemeinsam hatten – sie wirkten wie abgeschleckt – woman traute ihren augen nicht und konnte es sich nicht erklären. sie glänzten & strahlten kein bißchen modern. jetzt leuchtet es mir ein:

beide sind ja in der tat von der wütenden mulde abgeschleckt worden in unausdenklichen heimsuchungen – da fragt sich erstens, warum der fluß so wütend war – und zweitens, was am ende dabei herausgekommen ist. ich hab ja schon mehr als genug geschwärmt von alten städten, die immer wieder nach feuersbrünsten & anderen katastrofen beharrlich in ihre stimmige form gebracht wurden.

schade nur, daß wegen corona viele hübsche kleine ladenlokale leerstehen.

da bleibt zu hoffen, daß die fluttore halten …

oberhalb der flutgrenze gibt es selbstbewußte häuser aus einer späteren epoche:

und ganz oben gibt es dann eine kontrapunktische überraschung:

die ruine eines sehr gesellig wirkenden bahnhofs, an dessen stelle nur noch ein paar roboter wirken …

schmuckstück grimma

das ist tatsächlich ein schmuckes städtchen. ich hab mich rumtreiben lassen und bin immer wieder andächtig versunken in betrachtungen – vor allem der fluß hat mich magisch angezogen – nachdem sich lisa gestern verabschiedet hatte, bin ich barfuß über einen schotterweg am anderen ufer die ganze stadt entlang gelaufen. was am ende meinen armen füßen sehr gut getan hat. der rückweg durch die stadt war dann wie ein tanz.

schade war nur, daß es schon dunkel wurde – die bilder bekamen zunehmend eine märchenhafte note …

einen höhepunkt bildete diese zarte hängebrücke, von der ich schon gelesen hatte:

mein kopf ist noch ganz voll mit geschichten über grimma und die von der mulde geprägte landschaft – diese ganze saxentour geht durch jungfräuliches terrain. ich sauge wunderfitzig alles auf und bearbeite nachts die bilder …

grimma an der mulde

so sah es aus, als ich gestern abend begeistert von meinem abendspaziergang zur mulde nach hause kam.

die stadt hat eine hohe ufermauer, auf der lustige lauben hocken:

die mauer hat nicht geholfen, denn in grimma wars noch schlimma als in döbeln mit den hochwassern 2002 & 2013 – eine 300 jahre alte steinbrücke und eine großmühle wurden zerstört und die ganze altstadt stand tief unter wasser. schäden in höhe von 500 millionen euro sind entstanden und 60 millionen euro in den hochwasserschutz investiert worden. die historische brücke hat einen stählernen mittelteil bekommen und an strategisch wichtigen stellen gibt es riesige fluttore

heute ist es hier ganz idyllisch – die stadt hat sogar irgendeinen internationalen schönheitswettbewerb gewonnen – am liebsten würde ich mal eine woche hier herumstreifen – jedes haus hat persönlichkeit – ist wie ein lebewesen, das geschichten erzählt …

das wurde extra für den flamingo gebaut … obwohl ich heute zum ersten mal einen weißen leinenanzug angezogen habe, den ich vor fünf jahren gekauft habe.

halb eins – ich muß ins bett !

zauber

als wir in grimma eingelaufen sind, gab es ein schönes lichtspiel – das alte rathaus stand voll in der abendsonne und der OMNIBUS so gerade eben im schatten – ich dachte an das ungeheuer von döbeln und fühlte mich aufgefordert, hier von der urtümlichen schönheit dieses rathauses zu schwärmen …

blues

auf diese absurde wandmalerei habe ich jetzt zwei tage beim frühstück geschaut – auf dem gegenüber liegenden haus …

ich habe mit hoch gestellten füßen im „schulze-delitzsch“ gelesen über die grundlagen der genossenschaftsidee und habe immer wieder an die „grüne perle“ gedacht …

abends bin ich rumgestreift mit archäologischem interesse. es war so heiß, daß ich tagsüber obenrum immer nur das flamingohemd anhatte.

lisa hat mit dem faltrad die gegend erkundet.

hier schon mal als vorgeschmack das suchbild grimma:

döbeln

obwohl es nicht mehr einheimische als delitzsch hat, kommt döbeln großstädtisch daher – es gibt straßenblöcke wie in berlin – mindestens fünf stockwerke – gründerzeitlich protzend – eine obszöne materialschlacht – da ist mir die bescheidene traufhöhe von delitzsch viel lieber.

und alles ist wie blank gefegt. am rathaus ist eine tafel angebracht mit der hochwassermarke von 2002: alles, was auf dem bild zu sehen ist, stand übermannshoch unter wasser und war anschließend mit giftig stinkendem schlamm überzogen – bei den aufräumarbeiten haben sich kinder & jugendliche besonders hervorgetan.

etwas ähnliches habe ich über passau erfahren, wo die vielen studenten nicht besonders wohlgelitten waren – bis zu ihrer spontanen & freiwilligen, digital organisierten hilfe nach einem katastrophalen hochwasser. da fällt mir „im grunde gut“ ein – womit ich versuche, meine band zu inspirieren.

die beiden tage hier waren heiß & lahm. wenn es nicht am zweiten nachmittag ein hübsches crescendo gegeben hätte, könnten wir nicht zufrieden sein.

lisa hatte in der nähe einen platz fürs wochenende organisiert, zu dem wir frohen mutes aufgebrochen sind.

das wuchs sich dann aus zu einer zweistündigen odyssee durch das säxische hinterland – über sträßchen, wo nicht mal zwei normale autos nebeneinander passen. rauf & runter und durch atemberaubende kurven. runterhängende äste strichen über unser dach. ich habe vollkommen die räumliche orientierung verloren und bin ungläubig den anweisungen von lisa gefolgt – wir waren ja nicht weiter als 20 km luftlinie von döbeln entfernt. am ende haben wir die adresse gefunden, in einem winzigen dörfchen – aber niemand wußte von uns, und unsere einladerin war nicht da. ich wollte auf keinen fall dort das wochenende verbringen – der rückweg war genauso abenteuerlich wie der hinweg. jetzt stehen wir da, wo wir hergekommen sind – mit dem hintern zur mulde, die hier zuweilen viel unheil anrichtet.

hier werden wir ein bluesiges wochenende verbringen.

zeitblitz = 1 ps

aus heiterem himmel kam eine historische pferdestraßenbahn vorbei und versetzte mich 150 jahre zurück. fröhlich ging meine fantasie mit mir durch in die welt der pferde …

dieser voll besetzte waggon wurde mit 1 ps bewegt – im sehr gemütlichen puls der zeit vor den autos – ich will nicht wissen, wieviele ps die beleidigend häßlichen suv’s haben, in denen durchschnittlich nur ein mensch sitzt. der blanke irrsinn.

ich habe mich nie besonders für das biedermeier interessiert – in letzter zeit taucht es immer wieder auf: schulze-delitzsch ist ein leuchtendes beispiel. mir geht auf, daß das biedermeier die verschollene ära der muskelkraftmaschinen war, in der auch – so gut es ging – erneuerbare energien eingesetzt wurden.

der scheiß verbrennungsmotor hat das alles zunichte gemacht und unmenschliche gewalt & häßlichkeit entfesselt.