2022 – nach der documenta

war ich das letzte mal in dieser tiefschwarzen großstadt und der einzige grund, warum ich mir das schon wieder angetan habe, war:

ich wollte unbedingt eugen drewermann in fleisch & blut kennenlernen, der bescheiden wie ein mönch in einer unauffälligen wohnung wohnt. ich hatte schon auf dem bildungsfestival überall herumgefragt, wie an ihn heranzukommen sei – und erfahren, daß er pfingsten bei staudinger in österreich war. in paderborn habe ich weiter gefragt und schließlich seine adresse herausgefunden sowie eine stelle, an der er regelmäßig seine post abholt.

also habe ich ihm mit meinem geliebten füllfederhalter einen langen brief geschrieben und mich für seine geduldige arbeit bedankt. die beiden oya ausgaben mit meinen beiträgen habe ich dazu gepackt und bin am nachmittag des zweiten tages überhaupt mal vom OMNIBUS losgekommen, um diese post persönlich abzuliefern. dabei habe ich das schön angelegte quellgebiet der pader erkundet, dem die stadt ihren namen verdankt.

am ende hat es sich also gelohnt, in paderborn gewesen zu sein.

rathausplatz

wir sind in paderborn mitten in ein bürgerbegehren geraten:

die galionsfigur dieses bürgerbegehrens hat uns am ersten tag die fleier vorbeigebracht und um hilfe gebeten. sie war wie ein frischer wind – mir fiel spontan „wonneproppen“ ein, um ihr wesen zu beschreiben.

als sie am zweiten tag die fleier wieder abholte, haben wir uns besser kennengelernt. sie ist künstlerin und heißt antje. wir waren gleich ein herz & eine seele:

pader born

auf dem markt in paderborn standen wir so schräg, daß die magneten die tür zum bad nicht geschlossen halten konnten – das war nachts peinlich, weil das licht im bad sehr grell ist und alle schon schliefen, als ich meine abendtoilette machte – zähneputzen – garten- & bodenaktivator trinken und so weiter – vor allem, weil naima im prinzessinnenbett schlief.

wir standen wieder dem gewaltigen steingebirge des doms gegenüber – und einem gräßlichen „modernen“ museum.

ich habe meine band in die kleine benediktinerkapelle hinter dem dom geführt und wir haben in der weithin berühmten akustik andächtig im chor improvisiert – anschließend haben wir noch einen gottesdienst im riesigen dom besucht, der mich in meine kindheit katapultierte …

der dom wurde anläßlich eines pabstbesuchs im achten jahrhundert anno domini gebaut – noch heute ist die brutale dominanz der kirche zu spüren – da hab ich mich lieber an winzigkeiten gelabt, die vom heiligen geist beseelt waren:

bei meinem abendspaziergang habe ich noch eine hell erleuchtete pfaffenboutique entdeckt.

am dienstag sind wir abends – ohne naima – auf den rathausplatz gefahren …

davon vielleicht später mehr …

voll des heiligen geistes

da schlummerten wir in der pfingstnacht – felicitas hat mir dieses bild geschickt – und ich konnte das an dieser stelle prima gebrauchen.

unmöglich, das bildungsfestival im einzelnen zu beschreiben – aber insgesamt war es ein köstliches menschenbad mit frei fließenden modalitäten.

zum beispiel habe ich mich mit alten menschen befreundet, die mich jeden tag besucht haben und mir furchtbar dankbar waren – nur, weil ich ehrlich interessiert an ihnen war und gesprochen habe, wie das maul mir gewachsen ist.

ein 96-jähriger mann, der den OMNIBUS schon lange kannte, kam zu mir und hat sich für immer verabschiedet. er wollte mich unbedingt noch einmal ausdrücklich in meiner arbeit bestärken und hat mir die nötige energie & gelassenheit gewünscht.

oder:

claas, der in den nuller jahren ein schülerpraktikum am OMNIBUS gemacht hat, war unabhängig vom bildungsfestival als bauer im gelände – mit seinem bruder, der heute den michaelshof in der lüneburger heide bewirtschaftet, wo wir mal unsere winterklausur gemacht haben (als johannes noch zigarren rauchte). claas bewirtschaftet jetzt mit seiner frau und zwei kleinen kindern eine farm in patagonien. jedes jahr geht er – wie schon seit seiner jugend – in der schweiz auf die alm und besucht seine familie in deutschland. bei mir leuchteten tausend knotenpunkte auf, zwischen denen es bei unserem gespräch lebendig oszillierte.

ich habe es schon einmal gesagt: meine größte freude ist es, zu erleben, wie aus OMNIBUS studentinnen richtige vollblüter werden.

oder:

ich hab mich wie ein teil einer weitverzweigten verwandtschaft gefühlt – und viele seit jahren zum ersten mal wiedergesehen. mit freude habe ich erlebt, wie brigitte meinen bruder tobias hartkemeyer, den bauern vom hof penthe, kennengelernt hat.

und:

ich habe jede menge vielversprechende aspirantinnen für ein OMNIBUS studium kennengelernt – siehe na i ma

ich bin immer & überall auf der spur des heiligen geistes, der von den kristen an pfingsten gefeiert wird – ich hatte das gefühl, daß er auf dem festival mutter erde geschwängert hat, auf der ich seine signaturen überall finde:

genug jetzt davon !

tribute to coltrane

dieses frische morfo schenk ich naima zum abschied – ich konnte mir am anfang ihren namen nicht merken, bis mir john coltrane einfiel, der eine ganze wilde langspielplatte „naima“ nannte – „my favorite things“ hat mein leben verändert – das war die geburt des sopransaxofons.

dann habe ich erfahren, daß seine erste frau so hieß:

„na i ma“ – auf dem „i“ müßten eigentlich zwei punkte stehen.

addio principessa

blutsgeschwister

in der band: naima & danilo musso – da sehe ich sofort die gemeinsamen wurzeln – zu allem überfluß auch noch italienisch!

naima hatte pfingstmontag ihren einundzwanzigsten geburtstag und ich gehörte in der nacht zu den ersten gratulanten – seitdem habe ich sie wunderfitzig nicht mehr los gelassen. die „bachelaurette of omnibus“ hat sie graziös gemeistert. sie hat eine blanko einladung in jedwede band.

nach ihrem glänzenden abitur hat sie ein jahr in einem indischen waisenhaus gearbeitet.

ihr tun jetzt & hier

die rechtecke genauso weh

wie mir.

war das jetzt ein haiku ?

& danilo – dasmussosein.

ich wünsch den beiden von herzen, daß sie weiter so unbekümmert ihren eigenen spuren folgen können – bisher sind sie echte lebenskünstler.

ihhbaix

voriges jahr in bramsche (wo ich beate & siegbert kennengelernt habe), ist lisa & mir aufgefallen, daß mehr ihhbaix unterwegs waren als normale fahrräder. angesichts dieses absurden fänomens ging eine ziemlich düstopische fantasie ging mit mir durch.

reiche rentner im partnerlook (helm, kleidung, smartfonhalter usw.) auf ihhbaix, für die ich mir mit anfang zwanzig jeweils eine nagelneue ente hätte kaufen können, wenn nicht gar einen käfer. diese räder sind so schwer, daß sie ohne künstlichen antrieb völlig wertlos sind. zuhause gibts dann noch drei „normale“ fahrräder, auf die ganz sicher niemals zurückgegriffen wird. und natürlich mindestens ein auto und vielleicht noch ein wohnmobil.

auch fitte oder fette kinder & jugendliche und athletische mannsbilder sausen mit ihhbaix in einer preisspanne von 2.000 bis 10.000 euro herum.

unglaubliche massen von funktionstüchtigen rädern werden weltweit verschrottet.

mich trösten die alten menschen beiderlei geschlechts, die sich nicht zu einem rollator herablassen wollen und ihren alten rädern die treue halten.

derweil ist unser OMNIBUSRAD zu einem vollwertigen mitspieler in unserer band geworden. meine engel unternehmen lauter erledigungen & ausflüge mit ihm – und wenn es keine steigungen gibt, erkunde ich gern weiträumig die städte, wozu ich zu fuß keine zeit hätte. leider gibt es fast überall steigungen – und es ärgert mich, daß ich wegen des niedrigen drehmoments & des hohen gewichts (das schloß allein wiegt soviel wie ein nacktes rennrad der oberen preisklasse) so schnell außer puste komme. die ironie ist, daß ich selbst ein alter mann bin und ein bißchen elektrische hilfe gebrauchen könnte.

salto rückwärts

unsere premiere in oelde begann mit einem atemberaubenden einfädelmanöver, das einiges aufsehen erregt hat. bei unserem abendlichen erkundungsgang haben wir dann einen wunderbar geeigneten marktplatz gefunden – auf dem wir theoretisch auch an beiden tagen hätten stehen können.

aber wir waren an diesem platz in der presse angekündigt und gleich am morgen kam eine freundliche redakteurin der lokalen tageszeitung und hat für den zweiten tag einen schönen artikel mit bandfoto geschrieben …

also für die zukunft: bitte nur noch auf den marktplatz !!!