salto rückwärts

ich bin noch randvoll mit dinkelsbühl, auf das ich sehr gespannt war – ich war vor etwa 15 jahren das letzte mal hier und völlig bezaubert von der durch eine stadtmauer mit vielen türmen und wehrhaften stadttoren geschützten, im original erhaltenen altstadt. es gab keine lichtreklamen und einen harmonischen farbkanon – was störte, waren nur die autos der bewohner. damals gab es ein bürgerbegehren, den autoverkehr aus der altstadt zu verbannen, das an den „geschäftsleuten“ scheiterte, die befürchteten, kunden zu verlieren. außerhalb der altstadt gab es großzügige parkmöglichkeiten und alle modernen konsumtempel & bekwemlichkeiten, während die touristen mit pferdefuhrwerken ihre rundfahrten machten. die gastronomie hatte zur straße hin schattige veranden, von denen aus man entspannt dem treiben auf der straße zusehen konnte – meine spaziergänge waren heilsame zeitreisen.

dieses mal standen wir vor einer gewaltigen hallenkirche, aus der manchmal die orgel zu hören war – und ich hatte zunäxst mühe, mich zu erinnern & zu orientieren.

vor uns auf dem boden war dieser pflasterstein eingelassen (von wo wir gerade herkamen)

schmalkalden – die östliche variante einer schönen alten stadt. mir fiel sofort auch mühlhausen ein, das ich ähnlich lange nicht gesehen hatte wie dinkelsbühl – in beiden fällen weisen alle „sanierungsmaßnahmen“ in die völlig falsche richtung – wie eine trotzige verhöhnung von mutter natur. alle alten bäume sind weg – es gibt keinen schatten & keine stille – die einheimischen fahren mit protzigen autos herum – die üppigen veranden vor den häusern sind verschwunden und kommerzielle gier verpestet die atmosfäre.

wohlgemerkt: die stadt ist immer noch bildschön und meine erholsamen zeitreisen gelingen mir auch weiterhin – ich muß nur die autos wegabstrahieren und lieber dem klappern der störche lauschen, die auf dem gegenüberliegenden haus nisten (früher gabs auch welche auf dem rathaus).

in der altstadt wohnen nur etwa 3.000 menschen, die nicht zu ahnen scheinen, welches potenzial an lebensqualität & heilsamer wirkung sie dem götzen des gedankenlosen kommerz opfern. immerhin konnte durch ein bürgerbegehren verhindert werden, daß ein investor seinen plan verwirklichen konnte, die ganze stadt in eine kitschige konsumhölle zu verwandeln.

wenn ich daran denke, wer es sich leisten kann, so ein altes haus zu restaurieren, fallen mir zuallererst finanzspekulanten ein. deshalb hier noch ein blues:

und ein lieber gruß an schmalkalden:

hoch zeit am tempelhof

seit ich davon erfahren habe, war ich wild entschlossen – von wo auch immer – den beiden – unsere gemeinsame referenz zu erweisen, denn auch der OMNIBUS hat sich gefühlt wie eine hochzeitskutsche – mit dem flamingo als kutscher. vor allen dingen: es sollte eine überraschung sein. das ist uns gut gelungen.

allein die neugier auf tempelhof, wo ich jetzt einige jahre nicht war, hat mich intrinsisch motiviert, mich auf den neuesten stand zu bringen. dann bin ich in ein wohltuendes menschenmeer in festlicher stimmung geraten – mit einem zügig getakteten wochenendprogramm. eine sinfonie nach noten.

darüber kann besser michael erzählen, der überall auf der pirsch war und sich wie ein fisch im wasser bewegte. über ihm ist ganz winzig elias zu erkennen, der in dinkelsbühl zu mir gestoßen ist und mich für einige wochen begleiten wird – als voll assimilierter mitspieler.

meine halbe verwandtschaft war da versammelt. ich hab mich treiben lassen, alle tentakel ausgefahren und mit allen geredet, die was von mir wissen wollten. mit dem brautpaar habe ich mich bei jeder gelegenheit herzlich kurzgeschlossen und lauter unverhoffte wiedersehen genossen, die ich hier unmöglich aufzählen kann.

stellvertretend für den OMNIBUS, habe ich einen weißen anzug angezogen – und – um meinen exotischen karakter nicht zu verleugnen – das flamingo-hemd, das mir lisa geschenkt hat.

der OMNIBUS stand weithin sichtbar mitten im gelände und wir waren mit allem versorgt. ich bin sehr froh, meinem ursprünglichen instinkt gehorcht zu haben.

dem brautpaar wünsche ich alles mögliche …

rechts oder links ?

das ist die einzige öffnung für den OMNIBUS in dinkelsbühl – es kommt auf die richtung an – kein grund zum streiten …

platte – verspielt

ich fühle mich jedes mal sympathisch berührt, wenn ich das ehrliche bemühen sehe, die plattenbauweise rhythmisch in alte straßenzüge einzugliedern. die modulare bauweise ist ja eine intelligente idee.

die ulmer hochschule für gestaltung ist das westliche beispiel. drei jahre nach meiner geburt gebaut – auf einem kahlen hügel – ganz nüchtern & rechtwinklig …

(ich habe jetzt lange vergeblich auf meinem eifohn nach einem foto gesucht)

… heute kontrapunktisch eingehüllt in eine vegetation, die so alt ist wie ich – lebhaft inspirierend – vor zwei jahren war ich das letzte mal dort.

war ganz schwer zu fotografieren – ich würde zu gern mal die original zeichnungen sehen und stelle mir die urheber eher als gewitzte, noch nicht zu vernünftige ingeniöre vor.

dann haben wir erfahren, daß dinkelsbühl eine partnerstadt von schmalkalden ist – sozusagen die westliche variante – beide städte über tausend jahre alt & bildschön. ich freu mich schon auf meine vergleiche. gleich hintereinander.

schmalkalden

ein über tausend jahre alter augenschmaus – danke, liebe lisa. der antrag wurde blitzschnell freundlich angenommen: ein netter herr christ sagte, er habe keine gelegenheit mehr, die genehmigung auszustellen – bei nachfrage sollten wir uns auf seine zusage berufen.

das ist die postkarte zu unserem auftritt !

seit merle weg ist, bin ich mit jannik unterwegs, der inzwischen routiniert die alltagsaufgaben drauf und mich mehrfach mit ungeahnten fähigkeiten überrascht hat. wir nähern uns zaghaft an, denn er erinnert mich sehr an mich in seinem alter – ich lebte da sehr eingesponnen in meine gedankenwelten …

… und hab mich sehr um einen neuen anfang in sozialer verwurzelung bemüht – zugespitzt auf kunst & kinder. das war meine rettung.

du kannst also ganz beruhigt sein, lieber jannik:

das war jetzt ein kleiner schlenker, der raus wollte.

ursprünglich wollte ich was über fachwerkhäuser & mittelalterliche stadtgebilde schreiben, die mir dieses jahr meine tour versüßen – ich bin voll mit bildern & geschichten.

geknikkt

als hätte er es geahnt: vorgestern abend ist ein von mir immer heiß empfangener archetypischer brief von meinem antagonistischen bruder johannes b. bei mir gelandet: zwei mit einer schön regelmäßigen winzigen schrift eng beschriebene rückseiten mit mir völlig unverständlichen juristischen verklausulierungen – da lacht mein herz und ich fühle mich analog verbunden. immer steckt eine bedeutungsschwangere postkarte mit im klassischen a6 briefumschlag. das sahnehäubchen war dieses mal die briefmarke mit einem spruch des legendären sepp herberger: „DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE“

gestern morgen bin ich auf meiner fahrt zum baumkreuz von der kreuzgasse schräg links abgebogen, knapp vorbei an einem dort geparkten sprinter. als ich dann am abend auf der rückfahrt in der gleichen konstellation rechts in die kreuzgasse eingebogen und mir sicher war, daß das auch dieses mal knapp gelingen würde, hat es plötzlich gescheppert und ich habe dem sprinter den rückspiegel abgefetzt und den kotflügel zerschrammt, ohne vorne viel zu bemerken.

am omnibus waren nur ein paar schrammen, aber der rückspiegel hatte eine scheibe der mittleren tür eingedrückt. die lag wie durch ein wunder unbeschädigt im OMNIBUS.

rundherum war kein mensch zu sehen und ich habe erst mal (vergeblich) die telefonnummer angerufen, die auf dem sprinter stand und mich dann auf die suche nach dem fahrer begeben und (vergeblich) an zwei haustüren geklingelt. als ich zurückkam, war der fahrer schon da und sagte, er müsse die polizei verständigen, da das ein firmenwagen sei. während der nervtötenden warterei hat es sehr geholfen, daß ich drei kinder dabei hatte, die oben vergnügt die fahrt genossen haben.

ich hatte das meiner neuen freundin lina versprochen, der enkelin meines alten freundes bernd – ihr bruder & ein junge, mit dem sich jannik angefreundet hatte, sind am ende auch mitgefahren. die mutter von lina ist mit dem auto voraus- und der vater des jungen mit dem auto hinterhergefahren. er war zeuge des geschehens. als wir nicht auf dem hof ankamen, ist die mutter von lina zusammen mit einer sympathischen jungen frau, die auf dem hof ein „ökologisches jahr“ macht und von den kindern sehr geliebt wird, mit dem fahrrad zu uns gekommen.

das war meine band! die kinder haben das als aufregendes abenteuer erlebt und ausgelassen gespielt. ich habe die beiden frauen besser kennengelernt und jannik hat überraschend seine gesellenprüfung bestanden, weil er zusammen mit dem vater des jungen tatsächlich die scheibe wieder in die tür eingebaut hat – was ich für unmöglich hielt.

so konnte ich die langatmigen prozeduren mit der polizei relativ gelassen überstehen und bis in die nacht hinein die beweismittel für die unfallmeldung an brigitte weiterleiten, die solche botschaften übrigens mit liebenswerter & mitfühlender gelassenheit aufnimmt und sofort bereit ist, alles weitere zu erledigen.

dann fand ich eine email von johannes, mit der er mir dieses foto „für meine flamingo-sammlung“ schickte:

alma mater ???

ist lateinisch und bedeutet „nährende mutter“. die uni erfurt – immerhin eine der ältesten deutschlands – empfand ich als gruselige mutter mit zuviel plastischer chirugie & glucksenden sternchen in ihrer rede. hinter gittern.

in diesen tempeln der „kulturwissenschaften“ sind die studentinnen in der überzahl – vier zu eins! so viele enkelinnen strömten am OMNIBUS vorbei und gönnten ihm nicht mal einen blick – sie konnten unsere signale nicht empfangen. die meisten waren studentinnen der erziehungswissenschaften. sowas hab ich noch nie erlebt.

zwei männliche afghanische studenten haben sich enthusiastisch für unsere arbeit interessiert und sage & schreibe drei jungs haben mich zögernd angesprochen – mit sowas wie „plebiszitäre elemente“ im sinn. am ende haben sich alle für das gespräch bedankt und mir ihre telefonnummer gegeben. spät am abend hat enoch vor dem OMNIBUS mit ein paar jungs gesprochen, die immerhin so mutig waren, ans fenster zu klopfen, und hat auch noch eine unterschrift & eine telefonnummer reingeholt – vier unterschriften & vier telefonnummern = erfolgskwote hundert prozent männlich.

wohlgemerkt: wir standen wie auf einem präsentierteller und so viele junge menschen wie sonst nie strömten völlig ungerührt um uns herum.

bei diesem namen für eine bestenfalls altväterliche institution dreht sich mir der magen um und ich fahre weitaus lieber über die dörfer.

damit genug für heute …

merle & ihr cello

jetzt ist auch merle weg – ich hab sie vom baumkreuz aus mit michael’s auto nach eschwege zum bahnhof gebracht. sie hatte sich zum schluß bei einer reparatur noch als ungemein geschickt erwiesen – umso mehr fehlt sie mir jetzt …