margaretensee

auf einem riesigen campingplatz in der nähe von lippstadt haben wir ein sonniges wochenende verbracht – durch die einfahrt hätten wir nicht gepaßt – es mußte ein großes gittertor für uns geöffnet werden.

viel zu spät habe ich realisiert, daß jannik abreist und ich allein sein werde, bis danilo wieder einfliegt – wann auch immer …

so ist die tour dieses jahr: ungewiß & kaotisch – ich muß immer für alles bereit sein und hab keine ahnung, wer mich wann begleiten wird …

wir mußten spätestens um 12:00 uhr den campingplatz verlassen und ich habe den rest des tages auf dem busbahnhof verbracht.

nachdem sich jannik voll bepackt verabschiedet hat, hab ich zu fuß den weg zu meinem platz erkundet – da startete gerade ein fahrrad-corso zum 75. geburtstag des grundgesetzes mit anschließender kundgebung.

ich kann das scheinheilige gerede nicht mehr hören. ich hatte gesehen, daß daniela dahn & dirk öschmann im „freitag“ ihre ostdeutschen kommentare veröffentlicht haben und wollte die unbedingt lesen. die beiden haben klare worte gesprochen, aber den rest der zeitung empfand ich wie einen angriff mit giftigem schleim.

die professorin & der spinner – das wäre der perfekte kontrapunkt gewesen.

da habe ich uns ganz allein installiert – und als ich mir meinen abendlichen tee machen wollte, war die gasflasche leer und ich mußte mir vorbeten:

immer schön lokker bleiben!

endlich

erhoffte ich mir die gelegenheit, nun auch noch die professorin gertrude lübbe wolff kennenzulernen, mit der ich mich per mehl verabredet hatte. sie hat das weitaus beste buch über direkte demokratie in deutschland geschrieben, das ich bücherwurm jemals gelesen habe. ich mache alle ernsthaften menschen darauf aufmerksam und hab „demophobie“ auch schon mindestens zehn mal verschenkt …

ich habe also zwei tage lang alle leute angestarrt, um sie „endlich“ in der menge zu erkennen. vergeblich. ich spekulierte schon, der spinner sei der professorin zu bunt & dergleichen.

also hab ich ihr abends von unserem wochenendplatz eine mehl geschrieben mit der überschrift „jetzt bin ich wieder weg“. sie hat sofort reagiert und sich herzlich entschuldigt. sie hat gerade bedauernswert viel um die ohren.

weil ich ihr buch so weit wie möglich verbreiten und als lehrbuch verwenden will, habe ich vorsichtig angefragt, ob sie mit ihrem verlag ökonomische spielräume ausloten könne.

bisher hat sie jedes mal sofort auf meine mehls reagiert – ich liebe das ! da fällt mir auf, wie gern ich wenigstens mal ihre stimme hören würde …

wegen ihr bin ich nach bielefeld gefahren – über 300.000 einwohnerinnen – wir standen auf dem jahnplatz, einem weiträumigen verkehrsknotenpunkt.

danilo ist mal wieder kurz weggeflogen und ich bin mit jannik allein – nach lauter netten kleinen städtchen hat er nun auch mal die arbeit in der kaputten atmosfäre einer großstadt erlebt, die so heftig an den nerven zerrt wie dieses gewitter.

am ende waren wir froh, bielefeld entronnen zu sein.

ich frage mich

und sinne – ob das die größte & älteste zitterpappel meines lebens ist – das ist mein indianischer wappenbaum.

2022 – nach der documenta

war ich das letzte mal in dieser tiefschwarzen großstadt und der einzige grund, warum ich mir das schon wieder angetan habe, war:

ich wollte unbedingt eugen drewermann in fleisch & blut kennenlernen, der bescheiden wie ein mönch in einer unauffälligen wohnung wohnt. ich hatte schon auf dem bildungsfestival überall herumgefragt, wie an ihn heranzukommen sei – und erfahren, daß er pfingsten bei staudinger in österreich war. in paderborn habe ich weiter gefragt und schließlich seine adresse herausgefunden sowie eine stelle, an der er regelmäßig seine post abholt.

also habe ich ihm mit meinem geliebten füllfederhalter einen langen brief geschrieben und mich für seine geduldige arbeit bedankt. die beiden oya ausgaben mit meinen beiträgen habe ich dazu gepackt und bin am nachmittag des zweiten tages überhaupt mal vom OMNIBUS losgekommen, um diese post persönlich abzuliefern. dabei habe ich das schön angelegte quellgebiet der pader erkundet, dem die stadt ihren namen verdankt.

am ende hat es sich also gelohnt, in paderborn gewesen zu sein.

rathausplatz

wir sind in paderborn mitten in ein bürgerbegehren geraten:

die galionsfigur dieses bürgerbegehrens hat uns am ersten tag die fleier vorbeigebracht und um hilfe gebeten. sie war wie ein frischer wind – mir fiel spontan „wonneproppen“ ein, um ihr wesen zu beschreiben.

als sie am zweiten tag die fleier wieder abholte, haben wir uns besser kennengelernt. sie ist künstlerin und heißt antje. wir waren gleich ein herz & eine seele:

pader born

auf dem markt in paderborn standen wir so schräg, daß die magneten die tür zum bad nicht geschlossen halten konnten – das war nachts peinlich, weil das licht im bad sehr grell ist und alle schon schliefen, als ich meine abendtoilette machte – zähneputzen – garten- & bodenaktivator trinken und so weiter – vor allem, weil naima im prinzessinnenbett schlief.

wir standen wieder dem gewaltigen steingebirge des doms gegenüber – und einem gräßlichen „modernen“ museum.

ich habe meine band in die kleine benediktinerkapelle hinter dem dom geführt und wir haben in der weithin berühmten akustik andächtig im chor improvisiert – anschließend haben wir noch einen gottesdienst im riesigen dom besucht, der mich in meine kindheit katapultierte …

der dom wurde anläßlich eines pabstbesuchs im achten jahrhundert anno domini gebaut – noch heute ist die brutale dominanz der kirche zu spüren – da hab ich mich lieber an winzigkeiten gelabt, die vom heiligen geist beseelt waren:

bei meinem abendspaziergang habe ich noch eine hell erleuchtete pfaffenboutique entdeckt.

am dienstag sind wir abends – ohne naima – auf den rathausplatz gefahren …

davon vielleicht später mehr …

voll des heiligen geistes

da schlummerten wir in der pfingstnacht – felicitas hat mir dieses bild geschickt – und ich konnte das an dieser stelle prima gebrauchen.

unmöglich, das bildungsfestival im einzelnen zu beschreiben – aber insgesamt war es ein köstliches menschenbad mit frei fließenden modalitäten.

zum beispiel habe ich mich mit alten menschen befreundet, die mich jeden tag besucht haben und mir furchtbar dankbar waren – nur, weil ich ehrlich interessiert an ihnen war und gesprochen habe, wie das maul mir gewachsen ist.

ein 96-jähriger mann, der den OMNIBUS schon lange kannte, kam zu mir und hat sich für immer verabschiedet. er wollte mich unbedingt noch einmal ausdrücklich in meiner arbeit bestärken und hat mir die nötige energie & gelassenheit gewünscht.

oder:

claas, der in den nuller jahren ein schülerpraktikum am OMNIBUS gemacht hat, war unabhängig vom bildungsfestival als bauer im gelände – mit seinem bruder, der heute den michaelshof in der lüneburger heide bewirtschaftet, wo wir mal unsere winterklausur gemacht haben (als johannes noch zigarren rauchte). claas bewirtschaftet jetzt mit seiner frau und zwei kleinen kindern eine farm in patagonien. jedes jahr geht er – wie schon seit seiner jugend – in der schweiz auf die alm und besucht seine familie in deutschland. bei mir leuchteten tausend knotenpunkte auf, zwischen denen es bei unserem gespräch lebendig oszillierte.

ich habe es schon einmal gesagt: meine größte freude ist es, zu erleben, wie aus OMNIBUS studentinnen richtige vollblüter werden.

oder:

ich hab mich wie ein teil einer weitverzweigten verwandtschaft gefühlt – und viele seit jahren zum ersten mal wiedergesehen. mit freude habe ich erlebt, wie brigitte meinen bruder tobias hartkemeyer, den bauern vom hof penthe, kennengelernt hat.

und:

ich habe jede menge vielversprechende aspirantinnen für ein OMNIBUS studium kennengelernt – siehe na i ma

ich bin immer & überall auf der spur des heiligen geistes, der von den kristen an pfingsten gefeiert wird – ich hatte das gefühl, daß er auf dem festival mutter erde geschwängert hat, auf der ich seine signaturen überall finde:

genug jetzt davon !

tribute to coltrane

dieses frische morfo schenk ich naima zum abschied – ich konnte mir am anfang ihren namen nicht merken, bis mir john coltrane einfiel, der eine ganze wilde langspielplatte „naima“ nannte – „my favorite things“ hat mein leben verändert – das war die geburt des sopransaxofons.

dann habe ich erfahren, daß seine erste frau so hieß:

„na i ma“ – auf dem „i“ müßten eigentlich zwei punkte stehen.

addio principessa