attendorn – sauerland

attendorn war ein wexelbad der stimmungen & temperaturen – am ersten tag grellheiß und am zweiten naßkalt – mit einem von weitem anrollenden gewitter dazwischen.

vor uns auf dem platz gab es elektronisch gesteuerte wasserspiele, in denen sich begeistert die kinder austoben konnten, während die mütter palavernd im schatten einer knorrigen platane saßen, die noch kaum blätter hatte.

zwar war der platz vor uns am ersten tag angenehm belebt, aber die menschen waren schüchtern wie immer, wenn wir zum ersten mal irgendwo auftauchen. mit denen, die uns ein lächeln schenkten, entstanden interessante & überraschende gespräche, die allerdings im reich der zahlen erst mal keine konsequenzen hatten.

ganz anders am zweiten tag, als es kalt & regnerisch war: im OMNIBUS fanden vollkommen analoge gespräche statt, die vom leben selbst koreografiert waren und alle erwartungen weit übertroffen haben. wir haben uns beschenkt & energetisch angereichert.

die stadt wirkt kahl und wie frisch gewaschen – als ich erfahren habe, daß sie weit unterhalb der wasserfläche des weit verzweigten biggesees liegt, ging meine fantasie mit mir durch …

auf alten fotos ist zu erkennen, daß sie bei der „sanierung“ der innenstadt so gut wie alle bäume gefällt haben bis auf ein paar dekorative wie die besagte platane.

pflanzen scheinen die hier für ungeziefer zu halten.

limburg an der lahn

das wetter ist schlagartig in sein gegenteil umgeschlagen und wir hatten zwei lebendige & inspirierende & erfolgreiche arbeitstage … endlich mal wieder. ich habe viele interessante einzelheiten über die stadt gelernt. schon in den sechziger jahren wurde in der altstadt ein baustopp verordnet und die platanen auf unserem platz sind durch zwei bürgerentscheide gerettet worden. aktuell läuft ein bürgerbegehren gegen die ausrottung der tauben.

es gibt 700 jahre alte, liebevoll restaurierte fachwerkhäuser, über denen wie ein gebirge der romanische dom thront, der zu seiner zeit gewiß eins der größten gebäude deutschlands war.

ich konnte endlich meine wunderfitzigen abendspaziergänge wieder aufnehmen und die schönsten entdeckungen machen – zum beispiel eine brille mit eingebauten kameras, die mir den sehnlichen wunsch erfüllen könnte, bilder zu machen, während ich durch die landschaft gondele.

aurelia & imma haben einen eindruck gewonnen von unserer arbeit und werden womöglich zu ihrem sozialpraktikum wieder an den OMNIBUS kommen, wenn sie das mit ihrer schule klären können. sie sind am dienstag mittag abgereist. abends hat jonas von der neuwagenmühle danilo zu seinem schwitzhüttenritual in der walpurgisnacht abgeholt, die elias & ich ohne genehmigung auf unserem platz verbracht haben, so daß wir den ersten mai für eine gemächliche, landschaftlich reizvolle fahrt ins sauerland nutzen und ganz nebenbei den OMNIBUS füttern & versorgen konnten.

jetzt sind wir – zum ersten mal – in attendorn am biggesee.

ich strample …

mit den ereignissen mitzuhalten – also: salto rückwärts und ein spotlight auf limburg an der lahn:

der clan

neben birgit & kalla, den herbergseltern, leben noch leonie und ihr sohn jaron sowie acelia und ihr vater jonas auf der mühle – und anna ist vor kurzem in einen bauwagen ohne strom gezogen. wir haben uns kreuz & quer befreundet und ich hatte den kindern eine rundfahrt versprochen, die am ende dazu führte, daß leonie & die kinder bis nach limburg mitgefahren sind und jonas mit dem auto hinterher …

leonie ist vor etwa 20 jahren für eine woche im OMNIBUS mitgefahren – ich glaube, sie war damals eine renitente problemschülerin. auch jetzt war sie mir gleich total sympathisch.

ohne daß sie ein paar bilden, lebt sie mit jonas und den kindern in einer praktischen wohngemeinschaft. wenn die mühle ein bolo wäre, wäre sie eine einheimische im besten sinn. sie hat sich mit danilo für die walpurgisnacht zu einem indianischen ritual verabredet …

eine meiner größten freuden ist es, mitzuerleben, wie sich biografien zu voller blüte entfalten – da zähle ich leonie jetzt auch dazu.

incommunicado

von montabaur aus sind wir abenteuerlich zwischen westerwald & taunus herumgekurvt – mit serpentinen & wendemanövern, um so nah wie möglich an die neuwagenmühle im jammertal heranzukommen, wo wir zum heftig ersehnten ersten wochenende eingeladen waren. in kördorf hatten birgit & kalla einen platz für uns reserviert – vor einer scheune als improvisierter shuttle stop.

ich hatte kein netz und mußte über bande organisieren, daß aurelia & imma – zwei schülerinnen, die aus bawü zu uns unterwegs waren, in einem städtchen an der lahn abgeholt werden konnten – ihre anschlüsse hatten nicht geklappt und ich war nicht zu erreichen. am ende haben elias & ich (als beifahrer) sie schon ganz lässig an der bahnhofstreppe empfangen & willkommen geheißen.

dann war alles wie im märchen:

es wartete schon ein üppiges abendmahl auf uns – nach einem lebhaften willkommens- & kennenlern tanz – und bot die gelegenheit, uns behaglich auf die gemeinsame zeit und diesen wunderlichen ort einzustimmen. ich war froh, kein netz zu haben.

ich hatte birgit seit über zehn jahren nicht gesehen – und ich glaube, wir haben uns beide auf dieses wiedersehen gefreut. sie oszilliert zwischen „jüngere schwester“ & „weise alte frau“ und ich habe keine ahnung, zwischen wem oder was ich wohl für sie oszilliere. wir haben uns jedenfalls prächtig verstanden und reich beschenkt.

alle haben sich angefreundet & herumgetrieben auf diesem abenteuerlichen gelände – die jungs haben sich in dem fluß herumgewälzt, der die mühle antreibt und den strom erzeugt:

so nah an den elementen schaltet die zeit auf freilauf – wir haben uns gefühlt wie einheimische auf urlaub und mit vollen sinnen dieses zauberhafte wochenende ausgekostet …

es ist spät und ich gerate ins schwadronieren – ich kann sowieso nicht alles erzählen.

deshalb noch paar bilder:

worst case

unser auftritt in montabaur begann damit, daß um fünf uhr morgens ein empörter metzger gegen den OMNIBUS hämmerte und verlangte, daß wir den OMNIBUS um etwa drei meter vorfahren müßten und drohte mit der polizei. nach diesem brachialen blitzkrieg gegen unsere träume sind wir benommen in die warmen betten gekrochen und schlecht wieder eingeschlafen.

kaum hatten wir unseren frühstückstisch gedeckt – die jungs essen unmengen brei & müsli & obst & brot und alles steht voll mit beuteln, tuben, gläsern, tassen & gewürzen – da kam eine unerbittliche gewaltherrscherin aus dem grottenhäßlichen rathaus und verlangte, daß wir sofort einige meter vorfahren und zwei blinkene warnbaken an der rückseite des OMNIBUS aufstellen müßten, die wir irgendwo zu kaufen hätten. und sie würde so lange auf der stelle verharren, bis das erledigt sei. als ich mich hilfesuchend an den marktmeister gewendet habe, der mißbilligend daneben stand, hat er mir augenzwinkernd geraten, besser nicht mehr nach montabaur zu kommen – und uns mit wenigen telefonaten kostenlos die baken organisiert.

montabau war mal ein hübsches altes städtchen – rechts auf dem bild ist das neugotische alte rathaus zu sehen, das in den achtziger jahren durch einen „modernen“ anbau & ein sparkassenmonster erweitert wurde …

in den letzten fünfzig jahren ist diese stadt maximal verunstaltet worden – das sparkassengebirge steht leer, denn die sparkasse ist gegenüber in einen rücksichtslos rechtwinkligen klotz umgezogen.

und – kaum zu glauben – das ist das im bau befindliche neue rathaus – schlimmer gehts nicht !

in diesem ambiente war sieglinde unser rettender engel …

wir haben uns verliebt:

in sieglinde – sie hat uns wie eine gute fee reich mit ihren geschichten beschenkt. sie ist 82 jahre alt und hat in dem alter, in dem die jungs jetzt sind, in der ddr einen studienplatz in aussicht gestellt bekommen. in dem abschließenden gespräch kam dann der hinweis, daß sie in die partei einzutreten hätte. da hat sie ganz klar & deutlich gesagt: „nur über meine leiche“. kurz danach ist sie dann 8 km durch die ostsee nach travemünde geschwommen. da wars um mich geschehen und zwei tage lang hat mir das dauernde frieren überhaupt nichts mehr ausgemacht.

und den jungs gings genauso. weil sie uns eingeladen hat, haben wir sogar den OMNIBUS abgeschlossen und sind mit ihr zu einem marktstand gelaufen, der handwerklichen kaffee & tee in exotischen variationen anbot. sieglinde war von unserer arbeit & der band restlos begeistert und hat uns jeden tag lauter geschenke mitgebracht – am zweiten tag war auch ein fünfziger darunter. sie lebt ganz bescheiden & analog allein und hat freundinnen aus aller herren länder. 19 jahre war sie mit einem lehrer verheiratet und hat zwei kinder. in ihrer alten heimat hat sie einen bauwagen ohne strom, den sie lustig hergerichtet hat. sie liebt bücher & tiere. die stunden, die wir in voller analoger bandbreite miteinander verbracht haben, waren allseits die reine lebensfreude. die jungs haben ihr smartphone, das sie widerwillig nur benutzt, weil ihre tochter sich sonst zu viele sorgen machen würde, so eingestellt, daß wir ihr diese bilder schicken konnten und sie meinen blog lesen kann. wir lieben uns für immer …