wie im märchen

fürs wochenende haben wir wohlverdient & ganz spontan eine heilige oase gefunden: ich hatte die idee, anja, die mich schon seit acht jahren an der periferie wohlwollend begleitet, auf dem weg ins wendland zu hause zu besuchen – sie hat zusammen mit robin ein von christopher alexander inspiriertes haus gebaut, das ich unbedingt mal sehen wollte …

… und wir sind von dieser bunten sippschaft herzlich in empfang genommen worden – für die einfahrt mußten fahrzeuge umrangiert werden, damit wir uns perfekt einfädeln konnten ins gelände – und anja & robin haben sich riesig gefreut.

wenn ich noch ein krist wäre, würde ich sagen: „es war zu schön, um wahr zu sein“.

die kinder. anja & robin. das haus. die eingeborenen. die kommunale intelligenz. das essen. das gelände. die kompostklos. das wetter. das winzige dorf – ich könnte endlos davon schwärmen – ein bolo, wie es im buche steht!

wir sind rundum glücklich & zufrieden.

grevesmühlen

drei sich träge dahinschleppende tage.

der jungdünamische bürgermeister hat uns keines blikkes gewürdigt. seit der kommunalwahl ist die afd zweitstärxte fraktion nach der cdu – hat aber mangels masse nur 3 leute für 7 sitze. in einem bürgerbegehren haben sich etwa 90 % der abstimmenden gegen den bau eines containerdorfs für migrantinnen in dem winzigen vorort upahl entschieden, was für die medienmeute ein gefundenes fressen war und genüßlich ausgeschlachtet wurde – obwohl es schon auf den zweiten blikk klar wurde, daß es eine harmlose, völlig nachvollziehbare entscheidung war, denn die stadt hat sich durchaus nicht geweigert, migranten aufzunehmen, sondern lieber auf verstreute unterbringung in einzelwohnungen gesetzt.

die stadt versucht verzweifelt, sich ein „modernes“ image zu geben und beteiligt sich zum beispiel an einem smart city wettbewerb – ich frag mich, ob enoch davon gehört hat (hallo?). da hätt ich gern dem parteilosen bürgermeister mein tiefstes mitgefühl ausgesprochen.

der altersdurchschnitt lag bei über sechzig und in den wenigen gesprächen haben die menschen fassungslos ihr herz ausgeschüttet über die politik & den krieg. die ohnmächtige empörung hat uns leidgetan – wir haben uns mühe gegeben, sie zu besänftigen und auf den boden der tatsachen zu holen.

wir waren froh, als diese drei traurigen tage vorbei waren.

bad doberan

wir standen weithin sichtbar am kopfende des langen & schmalen marktplatzes und hatten die heiße sonne im rükken. wir waren leider so erfolgreich, daß wir nur wenig von dieser interessanten stadt mitgekriegt haben, deren ursprung eine rund 800 jahre alte abtei ist. das dazu gehörige münster gilt als perle der backsteingotik. am ende des 18. jahrhunderts wurde an den ostseestrand in klassizistischem stil das erste seebad auf dem kontinent als sommerresidenz für irgend einen scheiß fürsten gebaut: heiligendamm – mir bisher nur bekannt als ort gewaltsamer ausschreitungen anläßlich eines g(x) gipfels.

seit über hundert jahren fährt von bad doberan eine schmalspur-eisenbahn an der ostseeküste entlang über heiligendamm nach kühlungsborn, einem „kraft durch freude“-ferienort, den wohl die nazis gebaut haben. da war ich in den nuller jahren mal mit dem OMNIBUS.

diese „bäderbahn“ – im volksmund „molly“ genannt – fährt regulär – gezogen von einer veritablen dampflokomotive bimmelnd durch die einkaufsmeile von bad doberan.

auf meinen kurzen spaziergängen habe ich bisher nur die riesige eiche, das frank zappa denkmal und architektonische stilblüten gesehen, was mich sehr neugierig auf weitere besuche macht – am besten mit einer größeren band.

diesen großkotzig maßlosen klassizistischen gebäuderiegel empfinde ich als „liegendes hochhaus“.

eingedenk unseres rekordergebnisses schreibe ich also bad doberan auf meinen wunschzettel.

wohnmobil ?

als wir uns in elmenhorst ausgeloggt haben, hatte sich dort gerade eine militante variante von „wohnmobil“ eingeloggt – für mich sieht das nicht besonders anheimelnd aus – aber voll zeitgenössisch.

da steigt mir die behaglichkeit meines gehäuses labend ins bewußtsein – der OMNIBUS hat unendlich viel mehr zu bieten.

meisterstükk

letzten freitag in teterow habe ich mich unentschlossen & lustlos mit der frage gekwält, wo wir das wochenende verbringen könnten – und mir gingen die ideen aus. das hat elias bemerkt und begütigend versprochen: „ich kümmere mich darum!“ da konnte ich erleichtert meine verantwortung loslassen und hatte den kopf frei für die gegenwart. die fahrt steckte dann voller überraschungen, denn sie führte knapp an der trostlosen stelle vorbei, an der ich vor zwei wochen am rand von rostock gestrandet bin, weil ich unbedingt nach lichtenhagen wollte, in eine berüchtigte plattenbausiedlung. der weg führte uns links an rostock vorbei, durch endlose schrebergärten über sträßchen, die für den OMNIBUS verboten waren. ich habe rechts immerzu ausschau nach den silhouetten von lichtenhagen & lütten klein gehalten, bis wir durch ein unter denkmalschutz stehendes dorf namens „lütten klein“ gefahren sind. lauter aha erlebnisse …

elias hatte den perfekten hafen ausgekundschaftet: einen digital gesteuerten wohnmobilplatz in elmenhorst an der ostseeküste, 12 kilometer von unserem zielort entfernt. 20 euro für 24 stunden.

ganz ohne mein zutun. ich habe wieder mal gelernt, wie gut es mir tut, meiner band & dem leben zu vertrauen und mir keine sorgen zu machen. wir haben ein wunderbares wochenende verbracht mit lekkerem essen & traulichen gesprächen – und hatten reichlich zeit, unseren jeweils eigenen spuren zu folgen.

wenn titel uns was bedeuten würden, würde ich elias feierlich zu meinem schülermeister ernennen – voll im groove des „oszillierenden rollentauschs“.

heute hab ich ihn – hoffentlich unbemerkt – bei der arbeit fotografiert.

er ist schon viel besser als ich dachte

apropos bäume

ich will nicht immer nur mekkern – und kann auf meiner tour durch mekkpomm eine überraschende erfahrung machen, die ich lobend erwähnen will:

seit der „wende“ sind hier zigtausende von bäumen an den straßen entlang gepflanzt worden – die springen mir überall ins auge …

und

gemessen an der tatsache, wie viele kilometer ich mich mit bangem bauch unter „eingeschränktem lichtraumprofil“ durch alte alleen schlängele, scheint sich die erkenntnis durchgesetzt zu haben, daß man die tunlichst in ruhe läßt …

teterow blues

salto rückwärts

noch ganz benommen & erschüttert von dem kulturellen gemetzel an den „ivenacker eichen“ sind wir bei einbruch der dunkelheit in einer eigens für uns abgesperrten parkbucht in der periferie von teterow gelandet, ohne irgendwas über dieses städtchen zu wissen. lisa hatte in höxter not ganz kurzfristig diesen platz ergattert, weil sie mal wieder eine absage aus der geplanten stadt erhalten hatte. die freundliche frau vom ordnungsamt hatte schon darauf hingewiesen, daß der OMNIBUS wegen seiner höhe nicht auf den zentralen platz vor dem rathaus fahren könne.

auf meinem abendspaziergang durch die völlig menschenleere altstadt hab ich die obigen bilder aufgenommen …

… und mitten im frühstück klopfte der parteilose bürgermeister an unsere tür und hat sich überschwänglich für unser kommen bedankt. seit der kommunalwahl hat die afd die meisten sitze im stadtrat vor der cdu – und nichts besseres zu tun gehabt, als zu versuchen, den bürgermeister durch ein bürgerbegehren zu stürzen. im hintergrund lauert ein investor, der der stadt einen ausgedehnten „solarpark“ aufschwatzen will. da kann sich ja jeder das politische klima ausmalen.

ich war sofort hellwach und wollte alles über dieses städtchen wissen, das in seiner 800-jährigen geschichte so oft abgebrannt ist, daß von der massiven ringförmigen stadtmauer nur zwei tore übrig geblieben sind – durch die der OMNIBUS nicht paßt. der rest wurde für den wiederaufbau der häuser verbaut.

es war sogar verboten, tabakspfeifen ohne deckel zu rauchen – als einmal generalfeldmarschall blücher zu besuch war, der von diesem verbot nichts wußte und gemütlich seine pfeife rauchte, wurde diese ihm von einem empörten bürger entrissen. als sich dann später der bürgermeister bei ihm entschuldigte und ihm eine pfeife mit deckel schenkte, war sein kommentar: „wat futsch is, is futsch“. und schon wieder ein verrükktes denkmal!

die feuerwehr ist heute ein museum und liegt malerisch an einem mühlenteich. mich hat die geschichte dieses städtchens sehr berührt und in eine wehmütige stimmung versetzt. alle, die das nachvollziehen wollen, können hier klikken (epistemologische askese!)

auch die – wenigen – gespräche waren rührend herzlich. deshalb will ich diesen blues mit einem kwadrat beenden: die schlichten laternen haben mir sehr gefallen:

intermezzo

hier gibt es tatsächlich ein „frank zappa denkmal“ – und alle jahre wieder findet eine „zappanale“ im andenken an den „meister“ statt – das mußte ich sehen. ich bin nämlich seit fünfzig jahren ein glühender verehrer dieses vollblütigen virtuosen. ich kenne sein gesamtes werk und habe ihn zweimal live gesehen – einmal bin ich per anhalter vom niederrhein nach münchen gefahren, um ihn zu sehen. einmal war ich in new york nach einem konzert im „fillmore east“ mit ihm in der gleichen aufzugkabine – und zu schüchtern, ihn anzusprechen – das könnte mir heute nicht mehr passieren und er ist längst eine verwandte seele geworden.

für die musikindustrie war er sowas wie karl kraus in seiner zeit für die welt der schreiber.

bei seinem grimmigen & selbstironischen humor kann ich mir sogar vorstellen, daß er seine freude an diesem verrükkten denkmal hat – verglichen mit einem reiterdenkmal von bismarck.

kunst für die armen

salve maestro

premiere

in waren habe ich elias zum ersten mal die auswahl der blumen anvertraut – er saust immer mit dem faltrad rum und macht die allfälligen besorgungen – und ich sehe den gezwirbelten bart des zirkusartisten durchschimmern – auch noch nach 2 tagen in der prallen sonne …

danke – mein lieber !

ausflug

nach unseren seltsam inspirierenden & erfolgreichen drei tagen in waren wollte ich elias auf dem weg nach teterow gern noch die „ivenacker eichen“ zeigen, angesichts derer ich vor über 20 jahren in demütiger andacht zu einem lächerlich kleinen tierchen geschrumpft bin – tausendjährige baumriesen, unter denen mich eine 900-jährige buche am meisten beeindruckt hat.

jetzt waren da nur noch wenige eichen, die ich hier kwadratisch würdigen & anbeten will, weil sie oben rum erbarmungswürdig zerfleddert waren und ich wieder ganz winzig.

es gab ein kassenhäuschen mit öffnungszeiten & preislisten und einen wald von warnschildern & sicherheitshinweisen und einen „wipfelpfad“, der auf mich wirkte wie eine dystopische überwachungsanlage.

was die kriege der letzten 500 jahre einschließlich des tausendjährigen reichs und der ddr nicht geschafft haben, haben wir – „der freie westen“ – in den letzten 20 jahren mit kultureller hemmungslosigkeit erreicht:

dieses urwüxige heiligtum zu schänden und bis zur unkenntlichkeit zu zerstören.

wir sollten uns schämen – ich würde es als ehre empfinden, von so einem uralten riesen erschlagen zu werden.

mit diesem morfo bitte ich um verzeihung.