runter vom gas

eine metabolistische umstimmung geht vonstatten: aus der hochtourigen anspannung der letzten wochen müssen wir runter, bis der motor nur noch wohlig blubbert – um dann die gegenwart weit zu dehnen und die kleinste kleinigkeit zu genieߟen. ich gewöhne mich gerade um: da ist ein anderer energiehaushalt notwendig, anspruchsvoll entspannt. tricky. 

die arbeit läuft prima, aber es kommen nur sehr wenige menschen zu uns – das ist schwer auszuhalten. wenn ich ungeduldig werde, bin ich nicht mehr lokker und nehme mich in acht. ich weite meine aufmerksamkeit … und prompt kommen die schönsten ereignisse:

am nachmittag kam katrin und brachte mir zwei sehnsüchtig erwartete pakete mit büchern und mit goldenen plakaten aus der schweiz. die waren leider verknikkt – ich habe sie noch mal ganz eng aufgerollt und hoffe, sie glätten sich wieder ein wenig. zur not lasse ich ein paar milliarden unsichtbare helferlein drauf los.

katrin hat mich im auto in die stadt mitgenommen – die letzte gelegenheit, mir einen lange gehegten herzenswunsch zu erfüllen: eine digitale schiefertafel zum schreiben mit der hand. state of the art.aufs äuߟerste komprimierte technik, mit der ich an den schnittstellen von analog & digital experimentieren kann. ein wahrer freund hat mir die mittel geschenkt (bin mal gespannt, was mein steuerberater dazu sagt).

nachdem ich mit unerwarteten hindernissen und an mehreren orten meine einkäufe komplettiert hatte, habe ich mich mit stephan getroffen, der hier in bremen studiert. ein prachtexemplar aus dem klub der gutmütigen riesen.  wir sind zusammen zum hauptbahnhof gelaufen, an den ich aufregende erinnerungen habe. mit dem zug sind wir nach vegesack gefahren. die anderen hatten schon mit der zubereitung von röstis begonnen – dicke luft im omnibus. zum rauchen bin ich nach drauߟen gegangen. wir haben kräftig durchgelüftet und dann lebendig-unterhaltsam miteinander gegessen. es war lekker. maike läߟt sich immer richtig was einfallen beim kochen: heute gab es eine köstliche risotto-variation von ihr. kompliment!

wir muߟten dann den omnibus noch umsetzen, weil heute markt war und der fischhändler unseren platz beanspruchte. anschlieߟend haben wir alle zusammen (lukas mit zwei krükken) stephan zum bahnhof gebracht, mit dem sich alle trefflich verstanden haben. es hat mich sehr gefreut, ihn wiederzusehen und in der stadt und auf der zugfahrt auch ausführlich ganz allein erleben zu können.

land in sicht


wir sind jetzt in vegesack, 30 km vom stadtzentrum bremen entfernt. ich war vor über 10 jahren einmal hier – der platz ist total verändert, alles groߟ und relativ neu. das ist hier tiefe provinz – ich habe noch niemanden getroffen, der bei vegesack „au ja“ gesagt hat. mir kommt das nach der ganzen hektik der letzten wochen wie gerufen  – zum runterkommen.

zu den bleibenden freuden meines letzten besuchs gehört, daߟ ich damals katrin kennengelernt habe: die allerliebenswerteste politikwissenschaftlerin, die ich kenne. sie ist nach der intensiven erfahrung einer volksabstimmung in bremen, an der auch wir mit dem omnibus maߟgeblich beteiligt waren, bei „mehr demokratie“ geblieben, aber auch immer wieder am omnibus mitgefahren. sie hatte eine ähnlich besänftigende wirkung auf mich wie freya heutzutage. schwanger mit oskar ist sie auf unserer südost-europa-tour mitgefahren und wir haben in bukarest ihren dreiߟigsten geburtstag gefeiert. inzwischen ist zu oskar noch marta hinzugekommen – alle zusammen eine tolle familie.

wir sehen uns selten und freuen uns immer. weil wir beide täglich praktisch an der demokratie arbeiten, sind wir teil eines kraftvollen parallelprozesses und können breitbandig unsere erfahrungen austauschen …

ist das nicht ein schönes zusammentreffen, daߟ die uns gestern nachmittag besucht haben ?

nach dem abendessen haben wir uns als kollegiales ereignis in einer raucherkneipe das fuߟballspiel gegen die ukraine angeschaut – ich ziemlich kaltschnäuzig bis zu dieser ballettnummer am ende. lukas durfte auch in meiner begleitung eigentlich nicht in diese kneipe, aber der wirt war ein netter kerl und wir saߟen am ende in der ersten reihe. dort ist auch maike wieder zu uns gestoߟen, völlig unbemerkt, denn auch sie ist noch 17.

jonas, der für sie eingesprungen war, ist noch bis heute mittag geblieben und hat sich noch liebevoll um mein cockpit und jegliche schmuddelecken gekümmert. jonas hat in dieser woche eine art taufe erleben können – oder (tief drinnen ist er ja musiker): er war eine unerläߟliche stimme in unserer band. kompliment!

intermezzo

den rest des wochenendes haben wir in moorburg verbracht. manfred war nicht da: er ist für eine woche nach berlin gefahren, um dort zu sammeln. über die bedeutung dieser beiden abstimmungen sind wir uns absolut einig. aber er hat sich rührend fernmündlich um uns gekümmert.

wir haben den omnibus aus- & aufgeräumt, geputzt & gewaschen (ich z.b. meinen weiߟen strampelanzug). unsere wasservorräte aufgefüllt, gestaubsaugt, geduscht, rasiert usw.

jetzt herrschen wieder klare verhältnisse.

ende kampfsammeln

mit einem sehr erfolgreichen & lebendigen dreiviertelsamstag in volksdorf ging das kampfsammeln erstmal zuende. dort war ein groߟer und gut besuchter wochenmarkt, auf dem mathias & jonas mit ihren sandwiches herumgelaufen sind, während lukas bei mir am omnibus geblieben ist.

puh, ich habe nach diesem wochenlangen chaos eine groߟe sehnsucht nach der „normalen“ arbeit in ruhigem fluߟ.

gleichwohl habe ich gern in berlin & hamburg in den vorstädten gesammelt und würde dringend dafür plädieren, sich in einer konzertierten aktion auf diese abstimmungen (und die bisher in deutschland unerreichten zustimmungsquoren für verfassungsänderungen) zu konzentrieren und gut vorzubereiten. was ich bisher miterlebt habe, war sehr unkoordiniert und schwach organisiert.

am ende hatten wir 1.150 anträge auf briefabstimmung gesammelt – mit der dunkelziffer von herausgegebenen anträgen. unter den gegebenheiten: stolze leistung. kompliment an die boygroup.

volksdorf in der sonne

wir stehen wirklich im zentrum des dorfs. hier war viel mehr los, als wir zu hoffen gewagt hatten. ich war froh über jede wolke und versuche, das milieu umfassend wahrzunehmen. 

das dorf hat einige moderne apartmentwucherungen. da lebt mittelständischer reichtum (wenn es sowas gibt). mit der welt verbunden durch eine ubahnstation.

 

 

mittags habe ich in einer historischen, mit stroh gedeckten kate labskaus gegessen. 

unser ergebnis summierte sich zu einem deutlich besseren als gestern und wir haben die tausendermarke geknakkt. vielleicht stehen wir morgen sogar in der zeitung.  ganz in der nähe ist morgen ein wochenmarkt – wir werden wohl eine halbe stunde früher anfangen …

zweiter tibarg

gestern ist noch lukas zu uns gestoߟen, ein sechzehnjähriger sozialpraktikant von der blote vogel schule. er hat sich das knochenmark an der stelle eines alten bruchs im fuߟgelenk verletzt und läuft auf krükken – er darf das bein nur mit fünfzehn kilo belasten. meist läuft er mit einer krükke und die andere sucht noch ihren platz in unserem durcheinander. ich finde das lustig und wir haben alle lukas freundlich in unsere boygroup aufgenommen und ihn heute bei gemächlichem betrieb eingearbeitet. jonas ist eine zuverlässige hand geworden („old hand“ würden die amerikaner sagen) und weiߟ, wie der laden läuft. und mathias ist ein naturtalent. er lebt bei der arbeit auf und kann sich mit dem kraftstrom synchronisieren. ein viriler bursche, der jetzt schon in den club der gutmütigen riesen aufgenommen ist, die mein herz so erfreuen: als männliche rollenvorbilder – komplementär zu den alfamädchen.

also: die band hat einen guten groove, ungerade synkopiert von den umfallenden krükken.

am abend sind wir zwanzig kilometer nach westen gefahren und sind jetzt in volksdorf direkt an der nördlichen landesgrenze. das ist so eine art edelschlafdorf für die hamburger, mit vielen alten bäumen und hecken, die so hoch sind wie die lärmschutzwände an der autobahn. bei einem edelitaliener haben wir lekker gegessen. 

wir hatten mal wieder für die absperrung unseres platzes viel geld bezahlt und es standen mal wieder autos auf dem abgesperrten platz … langsam gewöhne ich mich daran und bleibe einfach mitten auf der straߟe stehen, bis alle weg sind. 

immer schön lokker bleiben.

wir fragen uns, wer uns hier finden wird.