dekadenz

in westfalen ist mir aufgefallen, daß fast alle uralten kirchen mit barocken zwiebeltürmen verunstaltet waren – romanisch schlichte steingebirge mit frühgotischen elementen und massiven wehrtürmen, die sich durch die wulstigen stummel in fette eunuchen verwandelt haben.

in lippstadt gabs gleich zwei davon – mit ursprüngen im 12. jahrhundert und frühgotischen einklängen. ich versuche immer, im zuge meiner anthropologischen feldarbeit in solche kirchen reinzukommen. meist sind sie verschlossen.

heute ist es mir mal wieder gelungen, mich einzuschleichen, weil der küster mit aufräumarbeiten beschäftigt war und die tür offen stand. wenn da so ein barfüßiger flamingo auftaucht und andächtig diese ursprünglichen beispiele des erweiterten kunstbegriffs bestaunt, öffnet das die herzen und ich kann tausend fragen stellen. heute hat sich ein wunderbares gespräch mit dem alten pfarrer ergeben, der mich kenntnisreich durch die verschiedenen stadien dieser sehr beeindruckenden kirche geführt hat. er hat alle meine fragen geduldig beantwortet und mich auf viele kleine besonderheiten hingewiesen. solche gespräche machen mich glücklich.

und das war nicht der einzige höhepunkt unseres aufenthalts, der so entmutigend begonnen hatte.

so sah es derweil auf unserem ursprünglichen platz aus !

morgen mehr …

presse lippstadt

na, was hab ich gesagt ?

es freut mich jedesmal sehr, wenn ein redakteur den mut hat, mich wörtlich zu zitieren, wenn ich sage, daß wir uns nicht nicht damit zufriedengeben können, alle vier jahre einen blankoscheck in eine urne zu stecken. das leuchtet allen menschen sofort ein !

sisyphus läßt grüßen

zur erinnerung: da hab ich allein die nacht verbracht.

und wurde von einem ziemlichen getöse geweckt, bevor der wekker klingeln konnte. eine junge frau aus dem ordnungsamt teilte mir auf nüchternen magen mit, daß ihr chef beim erteilen der genehmigung nicht bedacht hatte, daß heute die bühne für das altstadtfest am wochenende genau an der stelle aufgebaut wurde, an der der OMNIBUS perfekt installiert war. die arbeiten würden sich voraussichtlich über den ganzen tag hinziehen und ich möge mich doch bitte woanders aufbauen.

vor dem frühstück habe ich dann gleichmütig die schöne installation zerstört und den OMNIBUS irgendwie am rechten rand des platzes aufgebaut – dem himmel sei dank, daß ich mich nicht mal besonders aufgeregt habe. ich stand neutral neben mir und staunte über diese unerwartete geduldsprobe & meine beharrliche gelassenheit.

später kam dann auch der chef, entschuldigte sich für sein versehen und bot mir für den zweiten tag einen platz am anderen ende der fußgängerzone an.

ausgerechnet in diese situation kam dann ein ehrlich interessierter junger redakteur der hiesigen lokalzeitung, die „der patriot“ heißt. er wird gewiß für die morgige ausgabe einen schönen artikel schreiben.

ich blieb ganz hilflos an den OMNIBUS gefesselt, bis mich ganz unverhofft danilo erlöst hat – früher als erwartet kam er von seinem liebesseminar am starnberger see zurück. mir fiel ein stein vom herzen.

nach einer schnellen inventur hat er gleich die nötigsten einkäufe erledigt – und ich konnte am nachmittag endlich ein paar stellen abklappern, die ich bei meinem abendspaziergang in der stadt entdeckt hatte.

was geduld angeht, gehe ich bei den unscheinbaren flechten in die schule …

margaretensee

auf einem riesigen campingplatz in der nähe von lippstadt haben wir ein sonniges wochenende verbracht – durch die einfahrt hätten wir nicht gepaßt – es mußte ein großes gittertor für uns geöffnet werden.

viel zu spät habe ich realisiert, daß jannik abreist und ich allein sein werde, bis danilo wieder einfliegt – wann auch immer …

so ist die tour dieses jahr: ungewiß & kaotisch – ich muß immer für alles bereit sein und hab keine ahnung, wer mich wann begleiten wird …

wir mußten spätestens um 12:00 uhr den campingplatz verlassen und ich habe den rest des tages auf dem busbahnhof verbracht.

nachdem sich jannik voll bepackt verabschiedet hat, hab ich zu fuß den weg zu meinem platz erkundet – da startete gerade ein fahrrad-corso zum 75. geburtstag des grundgesetzes mit anschließender kundgebung.

ich kann das scheinheilige gerede nicht mehr hören. ich hatte gesehen, daß daniela dahn & dirk öschmann im „freitag“ ihre ostdeutschen kommentare veröffentlicht haben und wollte die unbedingt lesen. die beiden haben klare worte gesprochen, aber den rest der zeitung empfand ich wie einen angriff mit giftigem schleim.

die professorin & der spinner – das wäre der perfekte kontrapunkt gewesen.

da habe ich uns ganz allein installiert – und als ich mir meinen abendlichen tee machen wollte, war die gasflasche leer und ich mußte mir vorbeten:

immer schön lokker bleiben!

endlich

erhoffte ich mir die gelegenheit, nun auch noch die professorin gertrude lübbe wolff kennenzulernen, mit der ich mich per mehl verabredet hatte. sie hat das weitaus beste buch über direkte demokratie in deutschland geschrieben, das ich bücherwurm jemals gelesen habe. ich mache alle ernsthaften menschen darauf aufmerksam und hab „demophobie“ auch schon mindestens zehn mal verschenkt …

ich habe also zwei tage lang alle leute angestarrt, um sie „endlich“ in der menge zu erkennen. vergeblich. ich spekulierte schon, der spinner sei der professorin zu bunt & dergleichen.

also hab ich ihr abends von unserem wochenendplatz eine mehl geschrieben mit der überschrift „jetzt bin ich wieder weg“. sie hat sofort reagiert und sich herzlich entschuldigt. sie hat gerade bedauernswert viel um die ohren.

weil ich ihr buch so weit wie möglich verbreiten und als lehrbuch verwenden will, habe ich vorsichtig angefragt, ob sie mit ihrem verlag ökonomische spielräume ausloten könne.

bisher hat sie jedes mal sofort auf meine mehls reagiert – ich liebe das ! da fällt mir auf, wie gern ich wenigstens mal ihre stimme hören würde …

wegen ihr bin ich nach bielefeld gefahren – über 300.000 einwohnerinnen – wir standen auf dem jahnplatz, einem weiträumigen verkehrsknotenpunkt.

danilo ist mal wieder kurz weggeflogen und ich bin mit jannik allein – nach lauter netten kleinen städtchen hat er nun auch mal die arbeit in der kaputten atmosfäre einer großstadt erlebt, die so heftig an den nerven zerrt wie dieses gewitter.

am ende waren wir froh, bielefeld entronnen zu sein.

ich frage mich

und sinne – ob das die größte & älteste zitterpappel meines lebens ist – das ist mein indianischer wappenbaum.

2022 – nach der documenta

war ich das letzte mal in dieser tiefschwarzen großstadt und der einzige grund, warum ich mir das schon wieder angetan habe, war:

ich wollte unbedingt eugen drewermann in fleisch & blut kennenlernen, der bescheiden wie ein mönch in einer unauffälligen wohnung wohnt. ich hatte schon auf dem bildungsfestival überall herumgefragt, wie an ihn heranzukommen sei – und erfahren, daß er pfingsten bei staudinger in österreich war. in paderborn habe ich weiter gefragt und schließlich seine adresse herausgefunden sowie eine stelle, an der er regelmäßig seine post abholt.

also habe ich ihm mit meinem geliebten füllfederhalter einen langen brief geschrieben und mich für seine geduldige arbeit bedankt. die beiden oya ausgaben mit meinen beiträgen habe ich dazu gepackt und bin am nachmittag des zweiten tages überhaupt mal vom OMNIBUS losgekommen, um diese post persönlich abzuliefern. dabei habe ich das schön angelegte quellgebiet der pader erkundet, dem die stadt ihren namen verdankt.

am ende hat es sich also gelohnt, in paderborn gewesen zu sein.

rathausplatz

wir sind in paderborn mitten in ein bürgerbegehren geraten:

die galionsfigur dieses bürgerbegehrens hat uns am ersten tag die fleier vorbeigebracht und um hilfe gebeten. sie war wie ein frischer wind – mir fiel spontan „wonneproppen“ ein, um ihr wesen zu beschreiben.

als sie am zweiten tag die fleier wieder abholte, haben wir uns besser kennengelernt. sie ist künstlerin und heißt antje. wir waren gleich ein herz & eine seele:

pader born

auf dem markt in paderborn standen wir so schräg, daß die magneten die tür zum bad nicht geschlossen halten konnten – das war nachts peinlich, weil das licht im bad sehr grell ist und alle schon schliefen, als ich meine abendtoilette machte – zähneputzen – garten- & bodenaktivator trinken und so weiter – vor allem, weil naima im prinzessinnenbett schlief.

wir standen wieder dem gewaltigen steingebirge des doms gegenüber – und einem gräßlichen „modernen“ museum.

ich habe meine band in die kleine benediktinerkapelle hinter dem dom geführt und wir haben in der weithin berühmten akustik andächtig im chor improvisiert – anschließend haben wir noch einen gottesdienst im riesigen dom besucht, der mich in meine kindheit katapultierte …

der dom wurde anläßlich eines pabstbesuchs im achten jahrhundert anno domini gebaut – noch heute ist die brutale dominanz der kirche zu spüren – da hab ich mich lieber an winzigkeiten gelabt, die vom heiligen geist beseelt waren:

bei meinem abendspaziergang habe ich noch eine hell erleuchtete pfaffenboutique entdeckt.

am dienstag sind wir abends – ohne naima – auf den rathausplatz gefahren …

davon vielleicht später mehr …