prenzlau

  
prenzlau war ganz prima, aber wenig belebt – es gab zwei einkaufszentren auߟerhalb und ein rewe in der nähe und rossmann gegenüber. vormittags standen wir in der sonne.

mit beate & suitbert vom bioladen haben wir herzliche, zupackende menschen kennengelernt, die uns beköstigt und mit dem nötigen versorgt haben. sie waren auch die letzten, von denen wir uns in freundschaftlichem einvernehmen verabschiedet haben, denn unser auftritt in prenzlau endete damit, daߟ wir auf dem bordstein vor dem bioladen endlich unseren wassertank auffüllen konnten (als ich morgens splitterfasernackt & eingeseift im bad stand, war das wasser alle – mal wieder typisch).

suitbert ist einer der frühesten biobäcker. er kommt aus düsseldorf und ist nach ein paar jahren in kreuzberg gleich nach der wende tief in den osten gegangen, um etwas praktisches anzufangen, als noch alles möglich war. diese geistesgegenwart kann ich nur bewundern, wenn ich mir anschaue, was er zusammen mit beate hier bewerkstelligt hat. ich habe übrigens so viel über suitbert geschrieben, weil er rheinländer ist – wie ich. ich war damals zu besoffen, um geschnallt zu haben, welche möglichkeiten es auch für mich gegeben hätte, mit offenen sinnen einmal wirklich zu arbeiten, eingeklinkt in den strom des lebens.

die beiden wohnen auf dem dorf 20 kilometer entfernt von ihrem laden. ihr zuhause würde mich sehr inter-essieren. im umgang waren sie wie mitarbeiter in einem gemeinsamen unternehmen – ohne jedes brimborium. deshalb war dieses finale so schön.

  
in beäugung des marktplatzes.

   
 

lekker

  
die jungs haben uns aufwendig bekocht: selbstgemachte gnocchi mit wirsing und gebratenem speck … hmmm

und gleich gehen wir ins kino

  

sonn(en)tag

  
ganz prima hier – wir können im bioladen nacheinander duschen (schon seit gestern abend) – das wetter ist wunderbar – die blätter rieseln aus den linden. neben den eifrigsten reinigungs- & aufräumungsarbeiten finden wir alle noch die muߟe für erholsame spaziergänge & streifzüge.

   
   
ich habe mein bett frisch bezogen und meine wollstrumpfhose ausgegraben – dazu habe ich zweimal die beiden groߟen kleiderkartons unter meinem bett durchsucht (da muߟ ich immer den voluminösen halben bettkasten ganz ausräumen). ich hab gleich die sommerkleider weggepackt und alle möglichen inter-essanten sachen gefunden: zum beispiel den üppig breiten & langen kaschmirschal. jetzt ist alles sauber & frisch. die jungs haben sogar die drei schauseiten des omnibus von auߟen gereinigt (die werden mit stirnband bei regen immer besonders schmutzig).

   
   

also

haben wir freudig die gelegenheit ergriffen, um halb drei aufzubrechen zu einer goldenen herbstfahrt. vielleicht zum letzten mal (diese nacht wurde die echte zeit wieder hergestellt und um fünf wirds dunkel).

  
zweihunder kilometer nach norden entlang der polnischen grenze. ich war ganz auge – riesige dorfanger und die häuser weit weg von der straߟe, feldsteinkirchen und groߟe buchenwälder, die sonnengelb leuchteten. ich konnte ausgiebig der landschaft lauschen & schauen. und mich mit dem rhythmus der jahreszeit synchronisieren.

   
 
ich bin so froh über meine entscheidung, einfach gleich auf unseren platz in prenzlau zu fahren und dort das wochenende zu verbringen. ich habe angenehme erinnerungen an prenzlau und es fing gerade an, zu dämmern, als wir ankamen. mir fiel ein stein vom herzen und wir haben einen geruhsamen abend miteinander verbracht. wir sind essen gegangen im dolce vita und ich bin mit gabriele über den wiederbelebten markt zum zum see spaziert …

  
als ich zum ersten mal in prenzlau war, sollten wir am rande einer groߟen, völlig unbelebten & verödeten fläche vor dem giebel einer riesigen backsteinkirche stehen. rundum häߟliche plattenbauten. wir haben uns ziemlich eigenmächtig einen besseren platz gesucht … und einen sehr freundlichen, parteilosen bürgermeister kennengelernt, der bereitwillig für die volksabstimmung auf der bundesebene unterschrieben hat und sagte, daߟ die maߟgabe seiner politik sei, daߟ keine bürgerbegehren nötig seien. er war mir auf anhieb sympathisch.

die öde fläche war der historische marktplatz. dann kam ein investor und wollte da eine konsumhölle hinklotzen, völlig ohne bezug zu irgendwas. der bürgermeister, der den plan befürwortete, wurde gestürzt. und dieser neue bürgermeister – sehr umworben von allen parteien, aber standhaft parteilos – hat den bürgerinnen versprochen, innerhalb von 100 tagen seiner amtszeit einen vorschlag vorzulegen, wie der platz zeitgenössisch aufgegriffen und in das städtische leben integriert werden könnte. und ich finde, er hat eine gelungene lösung verwirklicht.

   
 

samstag

in eisenhüttenstadt – strahlendes wetter und nichts los …

  
ab mittag standen wir in der sonne. der betrieb tröpfelte nur am omnibus und johanna, christopher & benjamin haben wieder geduldig alles abgelatscht, sind weggeschickt worden und haben dann einfach jeden menschen angesprochen, dem sie begegnet sind …

es wurden immer weniger und entsprechend mager war unser quantitatives ergebnis für die anderthalb tage hier. aber die sonne, der herbst, die schönen begegnungen … 

(z.b. eine serbische sexbombe, die uns in den balkan-stuben bedient hat – oder ein 87-jähriger tischler, der mich aufgefordert hat, ein paar willkürliche krakel auf ein weiߟes blatt zu machen – und mir dann ein paar stunden später ein bild brachte, das er daraus entwickelt hat … anschlieߟend hat er das gleiche auch noch mit gabriele gemacht und mir dann heute ein dickes buch mit weiteren beispielen gezeigt (er ist damit so eine art local hero geworden). wir haben uns trefflich mit ihm unterhalten. er war jäger und verabscheut die massentierhaltung aus tiefstem herzen. er sagte: „krieg ist das schlimmste.“ und erzählte, daߟ er als 14-jähriger gezwungen wurde, soldat zu werden.)

… und mein architekturseminar haben das qualitativ ausgeglichen. ich finde eisenhüttenstadt sehr anregend und komme gerne wieder.

   
   
und: wir haben die viertausend voll gemacht !

mehr herbst

   
    
 

heute hat die sonne geschienen und manchmal war der himmel ganz blankgefegt – wir sind jetzt für anderthalb tage in eisenhüttenstadt und ich bin total fasziniert von dieser stadt, die für die deutsche demokratische republik das war, was für die nazis wolfsburg war. paradebeispiele für planungsstädte. die genossinnen & genossen sollten komfortabel leben können, zu gerechten mieten, die proletarier wurden umschmeichelt.

  

wir stehen am bordstein der lindenallee, ecke puschkinstraߟe, und alles ist sehr weiträumig und mit groߟer geste entworfen. hundert meter hinter uns steht ein monumentales, neoklassizistisches theater mit einem riesigen säulengiebel   und schräg gegenüber groߟe  gebäuderiegel im zuckerbäckerstil – nur wenig kleiner als in der stalinallee in berlin. ich habe erfahren, daߟ die stadt von 1953 bis 1961 stalinstadt geheiߟen hat und der erste „axthieb“ (so nennen die das wirklich) der gründung ein halbes jahr nach meiner geburt gefallen ist.

eisenhüttenstadt hatte übrigens mit saarlouis die erste deutsch-deutsche städtepartnerschaft. die einwohnerzahl hat sich während der ddr-zeit verzehnfacht.

ich lerne hier viel über architektur. die lindenallee, an der wir stehen, war in der ddr die einzige ladenstraߟe und mir wird deutlich, eine wie untergeordnete rolle der konsum im alltag der ddr gespielt haben muߟ, der im westen krebsartig das ganze leben überwuchert hat. diese proportion hier ist mir wesentlich angenehmer und die menschen sind mir sympathisch.

   
 

die konsumhöllen liegen hier alle auߟerhalb oder an der peripherie – da müssen die sammlerinnen weit laufen, um dann oft nach einer stunde des geländes verwiesen zu werden: privateigentum ist die begründung. heute haben wir eine fahrt für johanna, nadine und benjamin mit dem austausch von leeren gasflaschen kombiniert – sie sind dort in dem einkaufszentrum geblieben und haben losgelegt. christopher ist durch die stadt gestreift und wurde auch an mehreren weit auseinander liegenden stellen weggejagt. aus der redaktion der märkischen oderzeitung haben wir strom bekommen und ein inter-essierter redakteur wird in der morgigen ausgabe über uns schreiben. 

schaun wir mal – gabriele ermahnt mich, ins bett zu gehen.

  

dieses mutter-denkmal steht gegenüber von einem monströs-klotzigen rathaus.

  

hundert mehr

… als gestern mit örtlichen helferinnen.

am vormittag gab es einen richtigen medienrummel – radio, fernsehen, print – alles vertreten. und einige menschen haben den rbb-beitrag gesehen und wissen schon genau, um was es geht.

  

der nieselregen hörte erst am frühen nachmittag auf und es wird wärmer. am nachmittag ist christopher gekommen und am abend ist natascha gefahren. wir sind also weiterhin voll belegt. benjamin hat uns lekker bekocht.

ich bin mit gabriele an die spree spaziert. der herbst ist in vollem schwange.