unverhofft

haben wir am samstag noch einmal einen schönen sonnentag erlebt. wir waren auf gut sambach, einem groߟen demeter betrieb, der in der ddr nicht als LPG, sondern als VEB bewirtschaftet wurde – wie gut ogrosen in brandenburg. vor über tausend jahren von einem kloster gegründet …

ein riesiger betrieb mit vielen kühen & schweinen. ich konnte schön herumstreifen und studieren.

sonntag war es dann naߟkalt & ungemütlich …

die zeitumstellung hat unseren alltag verwirrt und wir sind zunächst im hellen auf gewundenen schmalen straߟen durch einen wunderschönen herbstwald gefahren, bis eine zu niedrige brücke uns zur umkehr zwang. damit war meine ganze kalkulation im eimer, denn es wurde schon um fünf uhr dunkel. in dunkeln sind wir auf nervtötenden umwegen über bad langensalza, gotha und die autobahn nach eisenach geirrt, wo uns dann in brüderlichem einvernehmen ralf uwe beck höchstpersönlich begrüߟt hat. von ihm sehe ich normalerweise immer nur die kondensstreifen – weg ist der beck.

über nacht gab es dann einen erbarmungslosen kälteeinbruch.

überraschung

als ich vor über zehn jahren das letzte mal in eschwege war, hatte ich die ganze zeit die kleine johanna auf dem arm, die da noch nicht laufen konnte. über das wesen der stadt hatte ich lauter vorurteile: zonenrandgebiet, tiefste provinz, abgelegenes kaff, nichts los, keine kultur usw. da zieht doch keiner freiwillig hin …

dabei ist dieses städtchen eine echte augenweide. wir haben keine gebühren bezahlt und umsonst strom aus der deutschen bank bezogen. die kombination zwei tage kassel & drei tage eschwege wäre in jeder hinsicht besser gewesen – genau wie bei soest & beckum.

ich kannte damals noch nicht die arbeit von christopher alexander, die meinen blick auf die welt & das leben fundamental geweitet hat. ich staune, wie wenig ich wahrgenommen hatte.

ich beginne, die abgelegenheit als vorteil zu verstehen – und als gelegenheit, alles mögliche auszuprobieren. die gewaxene architektur bildet eine lebendige grundlage …

ausländische menschen scheinen das viel besser zu verstehen und betreiben vergnügt ihre geschäfte.

also: gern immer wieder nach eschwege, am besten für eine woche.

ich habs geschafft

niemals aufgeben: obwohl ich längst ins bett gehöre, habe ich so lange rumprobiert, bis die bildschirmtastatur verschwunden ist.

drei tage kassel

streifzüge & wiedersehen & vertiefungen.

jetzt will ich hier aufholen und die äpp spielt verrückt: obwohl ich wie üblich mit der bluetooth tastatur schreibe, bleibt die bildschirmtastatur auf dem eifohn stehen und versperrt den halben bildschirm – ich hab schon alles mögliche ausprobiert, um das wegzukriegen, und damit viel zeit verplempert.

am mittwoch haben wir uns herzlich von milena verabschiedet – sie ist jetzt schon eine alte häsin am omnibus. bald geht sie nach nepal, um dort in einem krankenhaus zu arbeiten und den fernen osten zu erkunden. nach enoch ist sie damit mein zweiter fühler dort. ich bin ganz gespannt auf ihre wahrnehmungen.

am mittwoch haben wir nach witten schon die zweite solidaritätskundgebung für rojava mitempfunden – es tut mir richtig weh, wie dort das wahrscheinlich mutigste demokratiemodell – maߟgeblich getragen von frauen – militärisch angegriffen wird. unter unmenschlich schweren bedingungen haben die frauen dort ein modell regionaler selbstbestimmung entwickelt, an dem sich die ganze welt ein beispiel nehmen kann.

für regierungen jeder art ist das anscheinend unerträglich und der westen läߟt ganz ungerührt die von ihm bewaffneten diktatoren die dreckige arbeit verrichten.

mit unserer alltäglichen lebensweise ermöglichen wir solche untaten, denn auf der mutter erde ist alles miteinander verbunden. bei mir facht das ein feuer an.

tiefsinn

das ist der vertikale erdkilometer des land art künstlers walter de maria auf der wiese vor dem fridericianum – von oben gesehen. eine documenta arbeit. ob das wohl weh getan hat?

unweit davon die berühmten eichen – auf der älteren schwester habe ich diese schöne eingeborene gefunden:

ganz besonders dieses, aber auch die anderen bilder hier sind mein dank an enoch, der mich angerufen und mir seine erfahrungen am anderen ende der welt geschenkt hat: er war ja auf dem „global forum“ in taiwan. und ich war so was von wunderfitzig …

eine geschichte hat mich besonders berührt: während der bestialisch brutalen besatzung durch die japaner haben sich die indigenen menschen mit maultrommeln verständigt – und die besatzer haben lange gebraucht, das zu kapieren. da lacht mein herz & meine fantasie geht mit mir durch …

das war wieder eine ungemein belebende kommunion mit enoch – ich kann mir seine wahrnehmungen einverleiben und wunderbar weiter spinnen …

deshalb komme ich nicht zum schreiben und in der kronologie tun sich lükken auf.

kassel

am freitag sind wir nach der arbeit im dunkeln nach kassel gefahren – ohne die landschaft fehlt mir was und das fahren ist mühselig …

bei marianne & hermann haben wir ein wohlbehütetes und mit allem versorgtes wochenende verbracht – das ist meine bewährte lieblingskarawanserei in kassel. neben dem gefängnis.

sonntag nachmittag sind wir auf den königsplatz gefahren und mich bestürmen die schönsten erinnerungen.

zum beispiel an catty wong, die chinesische künstlerin, mit der ich vor zwei jahren die documenta durchstreift habe. gründerin der pink republic. sie hat mich gleich eingebürgert und mir einen paߟ ausgestellt.

ich war seit 1972 auf jeder documenta und lasse mich da immer wunderfitzig rein fallen. vier mal war ich mit dem omnibus auf der documenta und immer wieder zwischendurch in kassel. der königsplatz sieht von oben aus wie ein durchmesserzeichen – ein kreis, durchschnitten von straߟenbahnschienen.

voll dem kommerz gewidmet, tangiert von der jüngsten konsumhölle und in der mitte ziemlich kahl. für einen stromanschluߟ hätten wir 240 euro zahlen müssen. zum ausgleich werde ich mich möglichst viel herumtreiben und den ersten & den letzten baum der „7000 eichen“ berühren und in der neuen galerie „das rudel“ anschauen.

obwohl ich keine groߟstädte mag, finde ich es wichtig, hier immer wieder aufzutauchen …

zukker

das stadtmuseum in beckum war zukker für mein gemüt & nahrung für meine sinne – der freundliche herr am empfang lieߟ sich schön ausfragen. ich habe viel über das wesen der stadt erfahren. unten gab es die liebevolle rekonstruktion eines tante emma ladens (das haus steht noch), eines klassenzimmers und des wohnzimmers eines zementfabrikanten, komplett mit ölportraits von eltern & tochter. die blütezeit der stadt kam mit der industrialisierung: rundum entstanden zementfabriken – im zweiten stock gab es ein modell unter glas und werkzeuge, materialproben. eine ganze wand war eine fotografie, die aussah wie eine mine in brasilien, wo die arbeiter sich in die höhe gestaffelt auf ihre werkzeuge lehnen – für das foto muߟten sie damals ganz still stehen. ob sie sich wohl über die pause gefreut haben?

ökologisch gesehen sind die zementfabriken ein schweres erbe.

im ersten stock gab es eine sehr inspirierende ausstellung: „in medias res“ von anne sommer-meyer, einer künstlerin aus weinheim an der bergstraߟe, die ich mir an beiden tagen wunderfitzig einverleibt habe.

da sind dann lauter quadratische bilder entstanden …

ich sag ja: zukker

beckum blues

beckum war das gegenteil von soest – ein städtchen nach meinem geschmack. wo wir standen war das schlagende herz der stadt – beschirmt & beatmet von vier mächtigen platanen: ein historisch gewachsener, nicht mechanisierter marktplatz mit dem alten rathaus, in dem sich heute das stadtmuseum befindet – eintritt frei.

in allen gesprächen waren die platanen das wichtigste thema: der platz soll mit geld „von oben“ – und damit von auߟerhalb der gemeinde mechanisiert werden. es gibt einen ratsbeschluߟ, daߟ die platanen im november gefällt werden sollen. erst haben sie behauptet, die bäume seien krank – dann, daߟ die bäume die häuser und ihre unterirdische infrastruktur zerstören. dann ist ein bürgerentscheid am zustimmungsquorum gescheitert. jetzt will der bürgermeister das massaker gnadenlos durchziehen.

kaum jemand kennt so viele plätze wie ich. seit ich „the nature of order“ von christopher alexander entdeckt habe, sehe ich überall „muster“ heiliger baukunst. es bricht mir das herz, daߟ dieser platz jetzt so geschändet werden soll. ich kenne tausend beispiele, denen alles leben ausgetrieben wurde – die blank & heiߟ in der brüllenden sonne liegen.

die einwohnerinnen kämpfen weiter – am 20. september kamen 250 bunt gemischte menschen zur kundgebung und freitag gab es am nachmittag (!) eine kleine fridays for future demonstration, bei der die mittlere generation fehlte. wie im omnibus. ich habe ihnen das buch von „extinction rebellion“ geschenkt …

die band ist mal wieder unbeschreiblich weiblich: lisa ist 51 & milena ist 23 & paula ist 16. eine seltene mischung mit ganz neuen klangfarben – vor allem, weil alle drei vorher nur „kampfsammeln“ kannten. ich versuche, mich zurück zu halten, damit sie möglichst nah an die menschen heran kommen. zwischendurch & nebenbei haben wir gelegenheit, den omnibus zu säubern & zu pflegen. wir sind in einem ruhigen & wetterfesten einklang.

soest

soest ist jedesmal ein ausflug in westfälischen wohlstand – im guten wie im schlechten.

letztes mal war ich 2013 hier, im rahmen von „der aufrechte gang“. für den omnibus ist es schweinisch teuer hier: wir haben für drei tage 199 euro gebühren bezahlt ohne stromanschluߟ.

zum vergleich: hier stehe ich jetzt, im viel kleineren & jüngeren beckum – und wir zahlen 10 euro für zwei tage mit stromanschluߟ.

zurück nach soest – ich durfte mir in freundlichem einvernehmen mit der dame vom amt den besten platz aussuchen. das wetter war ein zickzack mit regen. am dritten tag wurde zum ersten mal in der zeitung der kern meiner botschaft leicht verhunzt abgedruckt. ich spreche immer von einer „blankovollmacht“.

die stadt ist uralt und der platz war wunderschön. die ältesten gebäude sind unglaublich massive sakralbauten aus einem grünen sandstein. daraus bestand die ursprüngliche stadt. diese schwerfällige stadt aus grünen steinen wurde (durch krieg?) zerstört und vor circa 500 jahren in fachwerkbauweise wieder aufgebaut – viel organischer & ökologisch intelligenter. jetzt gibt es 600 denkmalgeschützte gebäude. wenn die studiengebühren nicht so hoch wären, könnte ich hier wochen verbringen.

schräg gegenüber: „zum wilden mann“ – da konnten wir die toilette benutzen. im fünfzig meter entfernten reformhaus durften wir uns an den strom anschlieߟen. neben uns im ratskeller konnten wir für sieben euro unseren wassertank auffüllen.

die – am publikumsverkehr gemessen – wenigen gespräche waren umso besser.

ich versuche, mein fazit mal mit einem morfo auszudrücken:

jedenfalls: viel zu teuer !