von wegen speck

  

hier in  hennigsdorf gibt es weder einen bioladen noch ein reformhaus. ich vermute, daߟ die, die sich nach der wende hier ein häuschen gebaut haben, in berlin arbeiten & kaufen. hier kaufen die ureinwohner in einer sehr künstlichen einkaufsmeile, an der die sammlerinnen nur auf & ab laufen konnten. alle haben geklagt, daߟ nichts los sei. einmal hatte ich einen schreienden hitler-verehrer am omnibus und öfters kam die frage: „kann man hier nicht gegen flüchtlinge unterschreiben?“

   
 
der omnibus hatte einen günstigen platz und wir hatten zeitweise drei helferinnen. am abend hatten wir mehr blätter zu zählen als am ersten potsdam-tag und viele menschen haben uns glaubhaft versichert, daߟ sie ins nahe gelegene rathaus (durch den tunnel) gehen und sich dort direkt eintragen würden.

wir sind jetzt bei 853 angelangt in drei tagen – heavy duty.

  

speckgürtelwoche

wir sind jetzt an der ersten station unserer speckgürtelwoche, in der wir grob im uhrzeigersinn um berlin herumfahren und jeden tag an einem anderen ort sind. morgen werden sich florentine & natascha zu uns gesellen …

   
   
ich bin gespannt – das wird hier vollkommen anders werden als in der landeshauptstadt, wo wir am zweiten tag viele helferinnen hatten. abends gab es dann die veranstaltung im filmmuseum, wo an der stirnwand zwischen den freitreppen als urtümliche filmschleife die projektion eines schimmels galoppierte.

  
spät nachts bin ich dann mit freya, florentine, leon, maximilian und valentin nach berlin gefahren und wir haben uns einen übernachtungsplatz in der nähe des hamburger bahnhofs  gesucht, wo am samstag um elf die führung mit johannes stüttgen begann und ich viele freundinnen getroffen habe, die ich selten sehe …

  
der mann an der kasse im museumsladen hat mir einen packen papiertüten in zwei formaten geschenkt mit einem spruch, den ich köstlich finde:

kunst ist schön

macht aber viel arbeit

von karl valentin. so eine tüte lag ein paar wochen auf meinem armaturenbrett (bis sie bei einem hektischen rangiermanöver mit offener tür fortgeweht wurde). jetzt habe ich also einen ganzen vorrat davon.

jetzt habe ich leidlich mit den ereignissen aufgeholt und schaue voller inter-esse auf die speckgürtelwoche.

  

lebwohl alt kladow

mit tietz & tietz & consorten habe ich endlich einmal einen ort gefunden, auf den ich mich freuen kann, wenn ich nach berlin muߟ.

wir haben einen reichhaltigen nachmittag dort verbracht und haben uns das eis lieber auf die terrasse geholt. das wetter war wieder traumhaft und allein der fuߟweg durch den park zum see war pure erholung. ich habe entdeckt, daߟ christiane eine aktive gärtnerin ist. drei generationen fluteten lebendig durchs haus und die gegenwart hat sich gemächlich ausgedehnt.

ich habe mit egon ein intensives gespräch über „biologisch-dynamisches design“ geführt und wir waren uns einig, daߟ das dahinter liegende prinzip ganz umfassend auf alle entwurfsarbeit anwendbar und als qualität digital überhaupt nicht zu erfassen ist. 

als demonstrationsobjekt hat er mir sein meisterstück gezeigt, einen einfach zerlegbaren dreibeinigen hocker, der sich selbst in einem ausbalancierten kräftespiel hält und dynamisch auf belastung reagiert. direkt einleuchtend. und er findet einfach niemanden, der damit in serie gehen würde. ich habe gleich einen aus der erstauflage bestellt. und spinne den faden gleich weiter zum klavierspielen.

   
   

endlich stille

  

die rote nadel markiert das anwesen von christiane & egon (drei generationen und eine firma leben dort auf sehr kultivierte weise zusammen) – ich habe ja schon gesagt, daߟ ich mich bei ihnen sofort geborgen fühlte. gestern abend habe ich christiane endlich auch einmal besser kennengelernen können. sie ist eine selbstbewuߟte bayrische donna. no nonsense mit einem schönen warmherzigen lachen.

da haben freya & ich erleichtert eine nabelschnur angeschlossen: wir können immer rein und haben alle bequemlichkeiten, morgen werden wir hoffentlich zusammen in die kleine italienische eisdiele direkt um die ecke gehen – die hat ihren letzten tag, obwohl das wetter traumhaft ist: goldener oktober.

der blaue punkt ist der ort, an dem wir mit dem omnibus stehen. in ruhe & frieden. zwischen der kleinen groߟen waldorfschule und der anthroposophischen klinik havelhöhe, den beiden gewerken von tietz & tietz. freya hatte mich aus dem vollgestopften feiertagsberlin, wo die ganze innenstadt abgeriegelt war, herausgelotst und wir haben tief aufgeatmet und erst einmal einträchtig das tohuwabohu der hektischen & überfüllten beiden tage in potsdam & berlin geordnet & aufgeräumt. ohne viele worte. das tut gut und hat mich an meine besten vorsätze erinnert. mit freya kann ich voll entspannt sein. wir haben auf der terrasse eines italieners lekker gegessen und sind am see entlang zum omnibus zurück spaziert. nur schade, daߟ es schon so früh dunkel wird.

   

  

und vorhin streifte hier ein riesiger fuchs herum …

  

und los

erster tag kampfsammeln. davon stehen mir jetzt fünf wochen bevor. ich sag dem himmel dank, daߟ ich jetzt freya bei mir habe: sie hat den laden voll im blick. in den nächten wird es deutlich kälter und heute morgen war die gasflasche leer und wir sind erst gegen mittag richtig in gang gekommen. florentine, die schon in hamburg eine woche dabei war, ist aus berlin gekommen, also sind wir jetzt: florentine, freya, valentin & ich.

  

 
ich bin voll in der arbeit drin und muߟ vor allem lokker bleiben – ich neige dann zur ungeduld. das ist ungesund. also bin ich eher in mich gekehrt und konzentriere mich ganz auf das, was ich immer besser kann. hier in potsdam war ich schon so oft, daߟ ich mich nach & nach immer besser einfühlen kann. wer geld hat, kann hier prima leben. es gibt vielfältige proportionen, wald, seen, flüsse … leon hat mir erzählt, daߟ der wannsee manchmal zufriert – wunderbar. das aristokratische geht mir am arsch vorbei. und die nazis und die ddr-nomenklatura. die hammelherde hat sich inzwischen ja nicht groߟ entwickelt. in letzter zeit stelle ich in meinen gesprächen oft die frage: „sind wir eine hammelherde ?“ 

(das wäre im übrigen ein bannertext, den ich bei der ttip-demo für produktiv halten würde)

als wir die türen zugemacht haben, kam noch mal ein ganzer schwall von menschen. am ende hatten wir 269 blätter mit bestellungen. zum zählen sollten wir uns solche noppigen gummi-fingerhüte zulegen, denn das war ziemlich umständlich. mit diesem ergebnis können wir zufrieden sein.

  

 

briefing

   
 

jens-martin, der koordinator des volksbegehrens, kam mit einem riesigen, multifunktionalen lastenfahrrad mit vielen schweren drucksachen zum omnibus. nachdem wir die erstmal hinten im omnibus aufgestapelt hatten, haben es sich freya & valentin nicht nehmen lassen, auf dem platz ein paar runden mit dem lastenrad zu drehen (zum fotografieren war es da schon zu dunkel – es wird schnell herbst).

dann hat jens-martin uns zum essen eingeladen und uns alles notwendige erklärt – er wird jetzt auch noch sandwichs besorgen und eine liste mit den eintragungsstellen und öffnungszeiten in den jeweiligen städten & bezirken. 

nachher hat mich freya aufgerafft, daߟ wir auch noch schnell die vielen kartons sortiert und weggeräumt haben. super aktion. und als sie sich ihre wärmflasche gefüllt hat, hat sie mir gleich auch noch einen tee gemacht. sie ist eine gute fee.

   
   

alt kladow

  
sehr schön an der peripherie, direkt an der schäl sick vom wannsee. viele fette eichen, auch als uralte alleen. wir muߟten nach einer flotten fahrt von ottersberg über hamburg nach berlin rückwärts durch eine enge einfahrt manövrieren, aber dann: fühlten wir uns total geborgen. freudiges wiedersehen meinerseits mit der ganzen tietz-sippe, dieses mal in ihrer familiären umgebung. 

  
egon hat mir seine arbeit erklärt und mir heute die klinik havelhöhe und die feine kleine waldorfschule gezeigt, die leon & jan besucht haben. dort gibt es kein abitur. wer unbedingt das abitur machen will, muߟ sich ein jahr zusammenreiߟen und zum beispiel an die kreuzburger waldorfschule gehen. leon & jan sind mit ihrer unverwechselbarkeit leuchtende beispiele dieses konzepts.ich muߟ lachen, wenn ich daran denke – und golo & aurel fallen mir gleich ein, noch so ein bruderpaar.

mit dieser klinik und mit der schule hat egon zwei riesenbaustellen, die ideologisch verschmutzt waren – er hat die herkulische aufgabe der transformation & heilung übernommen … und in der geburtshilfe würde ich auch entbinden. und ich habe sein haus und sein atelier gesehen, die er auch selbst verwandelt hat. ich fühle mich da spontan wohl.

  
heute vormittag haben wir das stirnband für das volksbegehren in brandenburg befestigt. wir haben zu spät bemerkt, daߟ zwei ösen fehlten. also wurde die anbringung an unserer schauseite ein ziemlich aufwendiges gezerre …

   
   
erfüllt sind wir gegen sechs nach potsdam gefahren, vor das brandenburger tor. edda & lilith hatten zwischendurch immer gefilmt und haben noch ein shooting symmetrisch vor dem brandenburger tor in der abendsonne gemacht und uns dann verlassen. und ich habe jetzt die ganze zeit keine volk-fotos gemacht, nicht von der tietz-sippe und nicht von franka, an deren entwicklung ich meine helle freude habe. sie will arbeiten und hat begriffen, daߟ es ein leichtes ist, das abitur zu machen, wenn es notwendig sein sollte, was ziemlich unwahrscheinlich ist. sie ist schon gestern nach berlin gefahren. lebe wohl & machs gut, liebe franka !