Monat: Juni 2016
land in sicht
wir sind jetzt in vegesack, 30 km vom stadtzentrum bremen entfernt. ich war vor über 10 jahren einmal hier – der platz ist total verändert, alles groß und relativ neu. das ist hier tiefe provinz – ich habe noch niemanden getroffen, der bei vegesack „au ja“ gesagt hat. mir kommt das nach der ganzen hektik der letzten wochen wie gerufen – zum runterkommen.
zu den bleibenden freuden meines letzten besuchs gehört, daß ich damals katrin kennengelernt habe: die allerliebenswerteste politikwissenschaftlerin, die ich kenne. sie ist nach der intensiven erfahrung einer volksabstimmung in bremen, an der auch wir mit dem omnibus maßgeblich beteiligt waren, bei „mehr demokratie“ geblieben, aber auch immer wieder am omnibus mitgefahren. sie hatte eine ähnlich besänftigende wirkung auf mich wie freya heutzutage. schwanger mit oskar ist sie auf unserer südost-europa-tour mitgefahren und wir haben in bukarest ihren dreißigsten geburtstag gefeiert. inzwischen ist zu oskar noch marta hinzugekommen – alle zusammen eine tolle familie.
wir sehen uns selten und freuen uns immer. weil wir beide täglich praktisch an der demokratie arbeiten, sind wir teil eines kraftvollen parallelprozesses und können breitbandig unsere erfahrungen austauschen …
ist das nicht ein schönes zusammentreffen, daß die uns gestern nachmittag besucht haben ?
nach dem abendessen haben wir uns als kollegiales ereignis in einer raucherkneipe das fußballspiel gegen die ukraine angeschaut – ich ziemlich kaltschnäuzig bis zu dieser ballettnummer am ende. lukas durfte auch in meiner begleitung eigentlich nicht in diese kneipe, aber der wirt war ein netter kerl und wir saßen am ende in der ersten reihe. dort ist auch maike wieder zu uns gestoßen, völlig unbemerkt, denn auch sie ist noch 17.
jonas, der für sie eingesprungen war, ist noch bis heute mittag geblieben und hat sich noch liebevoll um mein cockpit und jegliche schmuddelecken gekümmert. jonas hat in dieser woche eine art taufe erleben können – oder (tief drinnen ist er ja musiker): er war eine unerläßliche stimme in unserer band. kompliment!
intermezzo
den rest des wochenendes haben wir in moorburg verbracht. manfred war nicht da: er ist für eine woche nach berlin gefahren, um dort zu sammeln. über die bedeutung dieser beiden abstimmungen sind wir uns absolut einig. aber er hat sich rührend fernmündlich um uns gekümmert.
wir haben den omnibus aus- & aufgeräumt, geputzt & gewaschen (ich z.b. meinen weißen strampelanzug). unsere wasservorräte aufgefüllt, gestaubsaugt, geduscht, rasiert usw.
jetzt herrschen wieder klare verhältnisse.
ende kampfsammeln
mit einem sehr erfolgreichen & lebendigen dreiviertelsamstag in volksdorf ging das kampfsammeln erstmal zuende. dort war ein großer und gut besuchter wochenmarkt, auf dem mathias & jonas mit ihren sandwiches herumgelaufen sind, während lukas bei mir am omnibus geblieben ist.
puh, ich habe nach diesem wochenlangen chaos eine große sehnsucht nach der „normalen“ arbeit in ruhigem fluß.
gleichwohl habe ich gern in berlin & hamburg in den vorstädten gesammelt und würde dringend dafür plädieren, sich in einer konzertierten aktion auf diese abstimmungen (und die bisher in deutschland unerreichten zustimmungsquoren für verfassungsänderungen) zu konzentrieren und gut vorzubereiten. was ich bisher miterlebt habe, war sehr unkoordiniert und schwach organisiert.
am ende hatten wir 1.150 anträge auf briefabstimmung gesammelt – mit der dunkelziffer von herausgegebenen anträgen. unter den gegebenheiten: stolze leistung. kompliment an die boygroup.
volksdorf in der sonne
wir stehen wirklich im zentrum des dorfs. hier war viel mehr los, als wir zu hoffen gewagt hatten. ich war froh über jede wolke und versuche, das milieu umfassend wahrzunehmen.
das dorf hat einige moderne apartmentwucherungen. da lebt mittelständischer reichtum (wenn es sowas gibt). mit der welt verbunden durch eine ubahnstation.
mittags habe ich in einer historischen, mit stroh gedeckten kate labskaus gegessen.
unser ergebnis summierte sich zu einem deutlich besseren als gestern und wir haben die tausendermarke geknakkt. vielleicht stehen wir morgen sogar in der zeitung. ganz in der nähe ist morgen ein wochenmarkt – wir werden wohl eine halbe stunde früher anfangen …
zweiter tibarg
gestern ist noch lukas zu uns gestoßen, ein sechzehnjähriger sozialpraktikant von der blote vogel schule. er hat sich das knochenmark an der stelle eines alten bruchs im fußgelenk verletzt und läuft auf krükken – er darf das bein nur mit fünfzehn kilo belasten. meist läuft er mit einer krükke und die andere sucht noch ihren platz in unserem durcheinander. ich finde das lustig und wir haben alle lukas freundlich in unsere boygroup aufgenommen und ihn heute bei gemächlichem betrieb eingearbeitet. jonas ist eine zuverlässige hand geworden („old hand“ würden die amerikaner sagen) und weiß, wie der laden läuft. und mathias ist ein naturtalent. er lebt bei der arbeit auf und kann sich mit dem kraftstrom synchronisieren. ein viriler bursche, der jetzt schon in den club der gutmütigen riesen aufgenommen ist, die mein herz so erfreuen: als männliche rollenvorbilder – komplementär zu den alfamädchen.
also: die band hat einen guten groove, ungerade synkopiert von den umfallenden krükken.
am abend sind wir zwanzig kilometer nach westen gefahren und sind jetzt in volksdorf direkt an der nördlichen landesgrenze. das ist so eine art edelschlafdorf für die hamburger, mit vielen alten bäumen und hecken, die so hoch sind wie die lärmschutzwände an der autobahn. bei einem edelitaliener haben wir lekker gegessen.
wir hatten mal wieder für die absperrung unseres platzes viel geld bezahlt und es standen mal wieder autos auf dem abgesperrten platz … langsam gewöhne ich mich daran und bleibe einfach mitten auf der straße stehen, bis alle weg sind.
immer schön lokker bleiben.
wir fragen uns, wer uns hier finden wird.
meine fantasie …
ist wohl mit mir durchgegangen, als ich von einem fünftel der schweizerinnen geschwärmt habe – ich habe doch glatt die hammelherde vergessen (nichts gegen hammel als solche). und jetzt will ich unbedingt „die realen zahlen“ wissen, als ob das irgendwas bedeuten würde.
qualität läßt sich nur fühlend erfahren.
epochal war es auf jeden fall: die botschaft war an die menschheit gerichtet und ist auch bei der menschheit angekommen. wie ein blitz aus heiterem himmel ist der impuls voll in das biotische milieu eingeschlagen. mit analogen auswirkungen allenthalben.
also danke nochmals, helvetia, wenn du mich da oben hören kannst.