riesa

gestern abend sind wir in riesa gelandet – soweit wir sehen – ein hübsches städtchen an der elbe – mit dem ungeschminkten charme des ostens. wir hatten keine lust, zu kochen, sind durch die einkaufsstraße gebummelt und haben griechisch gegessen. auf dem rückweg gings durch einen klassischen park mit uralten bäumen zur elbe, die wir unbedingt noch sehen wollten …

… und wir haben uns von hinten herangeschlichen:

heute war danilo’s letzter tag und ich werde ab morgen für sechs tage allein unterwegs sein – das kitzelt im bauch. zum glück ist wurzen ausgefallen und ich fahre zurück in die landwirtschaft – zum demeter hofgut kreuma – weiß der himmel, wo das ist …

unser platz ist prima – vielleicht sind wir (der OMNIBUS & ich) morgen in der zeitung. ich hoffe, mir hilft jemand bei tischen & stühlen.

das flamingo hemd

heute habe ich zum ersten mal das flamingo hemd angehabt, das lisa mir mit den worten: „wenn es dir nicht gefällt, verschenk es an jemand anderen.“ geschenkt hat – ich hab laut gelacht und mich tierisch gefreut!

und es macht auch spaß, damit rumzulaufen …

voll des heiligen geistes

schon wieder verbringe ich die pfingsttage in der landwirtschaft – das ist das einzig echte leben – gerade habe ich einige bücher über regenerative landwirtschaft gelesen – bin also theoretisch voll auf dem laufenden: da brenne ich darauf, mit bäuerinnen & bauern von mensch zu mensch zu sprechen und habe tausend fragen …

dieser melkstand ist so konstruiert, daß der melker die ganze kuh von der seite sieht – und jede kuh unabhängig von der reihenfolge rein & raus laufen kann. ich war im siebten himmel. friedrich, ein jungmeisterbauer, der mittelfristig in die betriebsgemeinschaft einsteigen möchte, hat uns durch den betrieb geführt. ich habe ganz viel direkt aus der praxis erfahren – wie der stand der dinge ist – und auf meine vielen fragen sehr inspirierende & ermutigende antworten bekommen.

aus berufenem munde. und weil pfingsten die feier des heiligen geistes ist, taucht bei mir das bild einer gewaltlosen landwirtschaft auf, bei der alle beteiligten lokker lassen und sich dem leben hingeben könnten. wenn das keine ausgeburt des heiligen geistes ist, dann verstehe ich die ganzen feierlichkeiten nicht mehr …

das volle spektrum – mir sind die oben sympathischer, aber wir sollten alle beteiligten freundlich und vor allem friedlich einbeziehen – alle haben recht und krieg ist immer falsch. das gilt auch immer mehr für meine arbeit mit den menschen. ich zähle mich solidarisch zu den „kleinen leuten“, die die ganze zeit STILL den laden am laufen halten. die sind meine primäre zielgruppe. den „kulturellen überbau“ halte ich für ein krankhaft entartetes system, in dem niemand verantwortlich ist, das aber unbarmherzig totalitäre gewalt anwendet. kulturelle gewalt als steigerung von struktureller gewalt. da wirkt die blutige gewalt gleich ganz märchenhaft – damit überfüttert das system uns über die digitalen medien, die mir immer mehr wie hinterhältig ausgeklügelte waffensysteme vorkommen.

für alle, mit allen, durch alle ! ihr seht, ich habe einen gewaltigen epistemologischen stau – die saxentour ist schon jetzt für mich ein voller erfolg, abgesehen von lauter wehwehchen, über die ich rumquengeln könnte, wenn ich wollen würde …

aber ich bin voll des heiligen geistes !

hoywoj

das ist die big brother perspektive auf unseren platz in der sozialistischen musterstadt – manche der übrig gebliebenen plattenbauten sind richtig hübsch:

am dritten tag ist der oberbürgermeister zum OMNIBUS gekommen und hat sich aktiv für unsere arbeit interessiert – er hat uns ganz überschwänglich einen besseren platz in der altstadt angeboten und glaubhaft zu erkennen gegeben, daß er in seinem amt voll bei der sache ist und sein bestes gibt. im stadtrat hat die afd eine satte mehrheit, die aber unentschlossen verharrt. er ist ein erfahrener verwaltungsmann und spd mitglied. wir haben beschlossen, nach möglichkeit eine veranstaltungswoche zu planen, für die er uns alle möglichen türen öffnen würde. er hat mit größter selbstverständlichkeit für die bundesweite volksabstimmung unterschrieben und sich ohne zögern in die liste der förderkandidaten eingetragen.

der OMNIBUS hat sich schnell rumgesprochen und wir haben wunderbare menschen kennengelernt, die glaubhafte zeitzeugen waren. balsam für mein wunderfitziges herz. ich hab mich in dieses bluesige hoywoj verliebt.

gute nacht

verrücktes wetter

bei strömendem regen sind wir über die dörfer nach hoyerswerda gefahren, von den einheimischen liebevoll „hoywoj“ genannt – eine kombination aus dem deutschen & sorbischen ortsnamen. wir stehen auf einem weiten platz vor der lausitzhalle, mit eloxierten scheiben wie beim mutwillig zerstörten palast der republik. inmitten einer sozialistischen musterstadt, zu der das 750 jahre alte städtchen wegen des braunkohlekombinats „schwarze pumpe“ ausgebaut wurde. von 7.000 einwohnern nach dem zweiten weltkrieg bis zu 70.000 einwohnern am ende der ddr, von denen heute noch etwa 30.000 übrig geblieben sind. mehrere plattenbaukomplexe sind schon „rückgebaut“ worden, was wegen der fernwärme- und elektrizitätsnetzwerke ziemlich aufwendig ist.

wir waren sofort von balzenden teenagern umringt, die einsteigen und nicht glauben wollten, daß wir im OMNIBUS leben.

am vormittag war es dann erst mal 13 grad kalt. ich bin total neugierig auf die stadt, habe es aber – weil wir nur zu zweit sind – gerade mal in die konsumhölle geschafft, um eine toilette aufzusuchen – die gestern abend weit & breit nicht zu finden war.

aus den umliegenden, gut restaurierten plattenbauten haben vorwiegend alte menschen den OMNIBUS entdeckt, deren wache intelligenz & lebenserfahrung uns ziemlich beeindruckt haben. auch ein redakteur der lokalen tageszeitung hat uns „zufällig“ entdeckt und gleich ein längeres gespräch mit mir geführt.

am nachmittag war dann plötzlich die sonne wieder da und wir konnten uns entpellen.

dresden neustadt

meine ahnung hat sich am ersten tag bestätigt – erst ganz allmählich belebte sich der platz mit menschen, die ihre hunde ausführten – allerdings kamen gleich am morgen einige mitglieder vom mehr demokratie landesverband sachsen, die mit einer unterschriftensammlung die regierenden parteien an ihre versprechungen in den koalitionsvereinbarungen erinnern wollen – und wir hatten ausführlich gelegenheit, uns kennenzulernen und unsere erfahrungen auszutauschen, was für meine praktische feldforschung im osten sehr aufschlußreich war, besonders, wenn es sich um im osten sozialisierte menschen in meinem alter handelte. deren erzählungen lausche ich besonders gern – wie ich als kind unermüdlich den geschichten der alten zugehört habe …

alle haben sehr mitfühlend auf die schilderung unserer notlage reagiert und fanden es selbstverständlich, daß uns mehr demokratie helfend unter die arme greifen sollte. einige haben sich auch sofort auf unserer fördererliste eingetragen.

es war brüllend heiß und wir standen den ganzen tag in der sonne. obwohl ich nur ein ärmelloses hemdchen anhatte, wurde mir manchmal ganz schummerig und ich mußte mich am tisch festhalten und aufpassen, nicht in ohnmacht zu fallen.

am frühen nachmittag belebte sich der betrieb crescendoartig und wir hatten intensive gespräche mit interessierten menschen – die erst gegen zehn uhr abends sanft ausklangen. im kerzenschein haben wir uns noch ein kleines abendbrot zubereitet – da haben immer noch menschen aus der dunkelheit ihre nasen an die scheiben gedrückt und mit den daumen nach oben gewiesen.

in der nacht gab es ein urtümliches gewitter mit sintflutartigem geprassel, das schon nicht mehr romantisch war.

die neustadt ist die altstadt von dresden – nämlich der teil der stadt, der von dem apokalyptischen feuersturm im februar 1945 verschont geblieben ist – ein hipper kiez, in dem – wie in prenzlauer berg – fast alles in reichweite mit analem geschmiere überzogen ist und die exotischsten speisen aus aller welt angeboten werden. erst heute bin ich überhaupt dazu gekommen, mir auf der langwierigen suche nach manitou ein bild davon zu machen … auch mit hübschen entdeckungen.

das wetter war heute viel angenehmer und meinen dicken füßen hat der spaziergang gut getan.

also:

wenn dresden, dann immer wieder gern hier – mit angepaßten arbeitszeiten:

12:00 bis 22:00 uhr.

wilder wexel

unser standort in dresden, an dem ich noch nie vorher war, erwies sich als kontrapunkt zu hof mahlitzsch – der alaunplatz in der dresdner neustadt – er weckte erinnerungen an unseren platz am tempelhofer feld im vorigen jahr. wir stehen vor einer riesigen freifläche, die gestern abend voll war mit menschen, die den ausbruch des sommers feierten.

an anderer stelle habe ich die landeshauptstädte als worst case szenarien für unsere arbeit beschrieben – und für die beiden plätze, an denen ich bisher in dresden gestanden habe, traf das durchaus zu.

hier hat unser auftritt auf eine schöne weise viel aufsehen erregt und bis in die nacht hinein neugierige fragen ausgelöst …

für ein nächstes mal würde ich unsere arbeitszeit wohl besser von mittags bis nachts anberaumen.

besucher

wir haben tische & stühle rausgestellt und immer wieder neugierige zufallspassanten & mitarbeiter des hofes bedient …

dieses bild hat danilo bei einer inspektion unserer solarmodule aufgenommen. das einwandfreie & reibungslose funktionieren der neuen technik ist mir eine große freude und erleichtert die arbeit ungemein.

ich schweife ab … eigentlich wollte ich von einem ganz besonderen besucher erzählen, der ganz gezielt von leipzig aus mit bahn & fahrrad vorbeigekommen ist, um den OMNIBUS & mich kennenzulernen:

christoph wonneberger, 79 jahre alt, der als pfarrer in dresden schon in den siebziger jahren eine initiative für einen sozialen friedensdienst (SOFT) gestartet und junge menschen seelsorgerisch betreut hat, die den kriegsdienst verweigern wollten. in den späten achtzigern war er dann in leipzig mit den friedensgebeten der vorgänger des berühmten pfarrers führer. kurz vor der friedlichen revolution hat er einen schlaganfall erlitten, durch den er seine stimme verloren hat (er war bestimmt ein sehr eloquenter prediger). so hat er die „wende“ verpaßt und mußte wie ein kind ganz von vorn anfangen …

diese geschichte, die sich erst nach & nach entfaltete, hat mich tief berührt und wird mir unvergeßlich bleiben. wie so oft, wenn ich seelenverwandte treffe, habe ich leider versäumt, ein „volkfoto“ aufzunehmen. sei’s drum.

wir haben uns angefreundet und er hat mir ein buch empfohlen von einem der ganz wenigen professoren aus dem osten, das ich gleich mit großem gewinn verschlungen habe:

dirk oschmann

der osten – eine westdeutsche erfindung

kann ich wärmstens empfehlen !

und ein mann aus saxen, den ich in frankfurt am uhrtürmchen getroffen habe, hat zwei befreundete paare vorbeigeschickt, denen ich eine kompakte vorlesung über unsere arbeit geliefert habe.

hof mahlitzsch

wir haben eine wunderbare neue haltestelle entdeckt – die betriebsgemeinschaft hof mahlitzsch, wo drei familien vor 30 jahren eine demeter landwirtschaft gegründet und einen beeindruckenden landwirtschaftlichen betrieb aufgebaut haben, der dem OMNIBUS unbekannterweise von mittwochabend bis sonntagnachmittag unterschlupf gewährt hat.

am feiertag haben sabine & elias noch gelegenheit gehabt, unsere „gasteltern“ elke & christian schwab kennenzulernen und sind dann freitagmittag richtung heimat abgedüst. jetzt bin ich mit danilo allein. der OMNIBUS stand dem hof gegenüber wie auf dem präsentierteller. wir waren bestens mit allem versorgt, denn es gibt auch einen gut sortierten hofladen.

es stellte sich heraus, daß elke & christian die mackensen’s vom dottenfelder hof, wo wir voriges wochenende waren, und christiane & egon tietz kennen und auch die siebentausend eichen intensiv miterlebt haben. wir haben kinder & enkel kennengelernt und sympathische mitarbeiter.

und – kaum zu glauben – der sommer ist ausgebrochen …