Allgemein
adieu gabriele
heute mittag habe ich gabriele nach spandau zum bahnhof gebracht – sie konnte von dort in einem rutsch nach köln fahren.
gabriele hat in den letzten beiden wochen umstandslos die stelle von freya übernommen und hat mich voll geerdet. ohne die beiden hätte ich diese tour nicht geschafft. ich staune und bewundere sie beide, jede für ihre eigene weise. wenn ich mir eine mutter aussuchen könnte – so eine sollte es sein!
war wohl nix
nach einem schönen langen frühstück mit gekochten eiern begann das reinemachen. ich habe mit gabriele einen noch um eine schlaufe mit seeblick erweiterten spaziergang bei schönstem warmem wetter zu den tietzens gemacht und bin dort in die badewanne gestiegen, während gabriele versucht hat, online ihre fahrkarte zu bestellen. vergeblich. aber wir sind hier zehn kilometer von spandau entfernt – da fährt stündlich ein ice bis köln durch …
gabriele & johanna haben heute ihren letzten tag im omnibus. das wollten wir auskosten …
und dann – gelungene überraschung – bekam ich unverhofften besuch von einer lieben freundin, die ich jetzt seit fast einem jahr nicht mehr gesehen hatte.
abends haben wir alle zusammen (außer johanna, die abends sowieso nie mit gegessen hatte und mit unserer wäsche kämpfte) zur feier des tages schon wieder vorzüglich beim italiener geschlemmt. die behandeln uns dort schon wie stammgäste.
jedes mal sind wir den weiten weg zu fuß gelaufen.
und eine halbe stunde vor mitternacht war da noch das klavier im eurythmiesaal.
havelhöhe
jetzt sind wir – mit allem versorgt – neben der eigenartigen waldorfschule havelhöhe. wir sind über waldboden durch den dunklen park zum see gelaufen und haben lekker gegessen bei dem italiener, bei dem ich auch schon mit freya war. dann noch einmal den aufmerksamen gang durch den dunklen wald. wir haben noch bei kerzenschein zusammen gesessen und erzählt. dann habe ich eine entdeckungsreise angetreten …
besondere aufmerksamkeit habe ich den klavieren gewidmet (der flügel im saal war abgeschlossen). das klavier im eurythmiesaal hat mir deutlich besser gefallen als das im musiksaal (da gab es auch ein schlagzeug ohne ride-becken, das ziemlich geprügelt aussah & klang).
also habe ich lieber ausgiebig klavier gespielt als hier mit den ereignissen aufzuholen (da komme ich vielleicht morgen zu). rekreation ist angesagt. ich war mutterseelenallein in diesem riesigen gebäudekomplex und konnte schön mit meinen fingern turnen – besonders die linke hand hat sich im hinblick auf ihre beweglichkeit emanzipiert.
das wetter ist schön
in der sonne kann ich den mantel ausziehen. wir sind jetzt in schwedt an der oder und ich bin genauso inter-essiert wie in eisenhüttenstadt. am ende der ddr hatte die stadt über 50.000 einwohnerinnen, von denen jetzt noch etwa 30.000 übrig geblieben sind. ganze plattenbauviertel sind hier schon abgerissen worden. wir stehen vor dem central-kaufhaus. das war das einkaufszentrum für 50.000 menschen. wieder diese relation von arbeit & konsum, die mir sehr sympathisch ist.
das stadtbild dominieren riesige plattenbau-riegel mit 10 stockwerken. das war die moderne ddr. schwedt war der standort der petrochemie in der ddr. das wurde alles nach der wende von den wessis ausgeplündert und ganze heerscharen von gewissenlosen vertretern haben die arglosen bürgerinnen übers ohr gehauen. sie waren ängstlich mit ihren daten, aber wir waren deutlich erfolgreicher als in templin (die halbe einwohnerinnen-zahl & eine riesige ausdehnung). und ich konnte schön die ddr studieren.
bis zum anschlag
ich bin wieder im „der mann, den sie pferd nannten“-modus. die letzten anderthalb wochen sind wir wieder jeden tag woanders, fahren im dunkeln durch „eingeschränktes lichtraumprofil“, gehen was essen … dann ist es elf uhr abends und ich war den ganzen tag im vollgas-betrieb. ich zwinge mich zu meinen tausend schritten, damit ich nicht hektisch & launisch werde. ich höre musik (z.b. „the pinkprint“ von nicki minaj – das kenne ich in- & auswendig. einige stücke finde ich sehr gelungen) und versuche, möglichst breitbandig die atmosphäre des orts wahrzunehmen. wenn es wasser gibt, gehe ich zum wasser.
erst danach komme ich dazu, hier was zu schreiben. die anderen sind schon alle im bett. und wenn ich schreibe, bin ich schon wieder ganz woanders.
in meinem bett schlafe ich dann morgens mit eingeschaltetem schoßcomputer ein.
und so weiter und so fort. da waren wir gestern:
da ist angela merkel aufgewachsen. die straßen sind seit urzeiten grob & unverwüstlich gepflastert, aber die gehwege haben ein feines schlangenhautartiges pflaster („erfurter passe“ sagen die galabauer dazu). das laufen darauf ist anregend wie eine fußreflexzonenmassage – das ultimative antideppressivum (ich schreibe das absichtsvoll mit zwei p). in templin ist mir das plötzlich in vollem umfang klargeworden. damit ich länger etwas davon haben konnte, habe ich mich auch prompt verlaufen und mußte am ende mein eifohn zu hilfe nehmen, um mich zu orientieren.
prenzlau
prenzlau war ganz prima, aber wenig belebt – es gab zwei einkaufszentren außerhalb und ein rewe in der nähe und rossmann gegenüber. vormittags standen wir in der sonne.
mit beate & suitbert vom bioladen haben wir herzliche, zupackende menschen kennengelernt, die uns beköstigt und mit dem nötigen versorgt haben. sie waren auch die letzten, von denen wir uns in freundschaftlichem einvernehmen verabschiedet haben, denn unser auftritt in prenzlau endete damit, daß wir auf dem bordstein vor dem bioladen endlich unseren wassertank auffüllen konnten (als ich morgens splitterfasernackt & eingeseift im bad stand, war das wasser alle – mal wieder typisch).
suitbert ist einer der frühesten biobäcker. er kommt aus düsseldorf und ist nach ein paar jahren in kreuzberg gleich nach der wende tief in den osten gegangen, um etwas praktisches anzufangen, als noch alles möglich war. diese geistesgegenwart kann ich nur bewundern, wenn ich mir anschaue, was er zusammen mit beate hier bewerkstelligt hat. ich habe übrigens so viel über suitbert geschrieben, weil er rheinländer ist – wie ich. ich war damals zu besoffen, um geschnallt zu haben, welche möglichkeiten es auch für mich gegeben hätte, mit offenen sinnen einmal wirklich zu arbeiten, eingeklinkt in den strom des lebens.
die beiden wohnen auf dem dorf 20 kilometer entfernt von ihrem laden. ihr zuhause würde mich sehr inter-essieren. im umgang waren sie wie mitarbeiter in einem gemeinsamen unternehmen – ohne jedes brimborium. deshalb war dieses finale so schön.