spuk

   
   
ungläubiger blick auf ein gottverlassenes schaufenster, fünfzig meter hinter dem omnibus.

ganz schön schräg

  

haben wir die anschlieߟende nacht in strausberg verbracht – ich hatte seltsame träume. das war die nva-hauptstadt der ddr. noch heute ist da bei google maps alles verschwommen und die einwohnerzahl legt seit der wende kräftig zu. eine straߟenbahn fährt nach berlin und es gibt viel wald & see. 

der tag war verhangen & windig, aber es hat nicht geregnet. ein buntgewürfelter trupp von helferinnen schwirrte stundenweise vorbei. gleich zwei zeitungen werden morgen den strausbergerinnen, die uns verpaߟt haben, vom omnibus vorschwärmen und endlose vorlust erzeugen. naja, das lösen wir dann bei unserem nächsten besuch in wohlgefallen auf. 

  
wirkt irgendwie besoffen, odrr ?

die stadt ist uralt – besiedelt seit der bronzezeit, offiziell mit diesem namen gegründet im dreizehnten jahrhundert. so alt ist auch die marienkirche, ungeheuer wuchtig mit feldsteinen aufgebaut:

 

es gab leider keine bessere perspektive und beim kampfsammeln habe ich überhaupt keine muߟe auߟer in der dunkelheit. 

seit alt kladow tauchen immer wieder feldsteinmauern auf, die mich tief beeindrucken. für mich sind das zeugnisse von unbändiger willenskraft und ich stelle mir vitale und sinnenfrohe und zufriedene erbauerinnen vor.

wir sind übrigens bei 1.401 angelangt.

1141

  

heute triumphal die tausender-hürde übersprungen, in bernau, wo schon siebentausend vor christus eine menschliche siedlung war (da fällt mir bolo ‚bolo ein und meine phantasie wird angenehm gekitzelt …).

  

wir standen vor dem historischen wahrzeichen, dem steintor, teil einer mindestens halbkreisförmig erhaltenen festungsanlage. drinnen sind nur einige wenige gebäude so alt, denn die herren der ddr fanden es vernünftiger, die altstadt abzureiߟen und moderne, effizientere wohnanlagen zu bauen, mit zweckmäߟigen proportionen. hier ist also modernste ddr-stadtplanung zu besichtigen, was gewiߟ auch damit zu tun hat, daߟ vor der stadt 1930 die adgb-bundesschule von hannes mayer & hans wittwer in bester bauhaus-manier gebaut wurde (wie auch die zeche zollverein haben sich die nazis das sofort unter den nagel gerissen – übrigens auch die havelhöhe). es sieht ganz so aus, als ob die tour dieses jahr unter dem stern der baukunst steht, unter besonderer berücksichtigung des unsichtbaren …

  

obwohl es ab mittag lange geregnet hat und uns anderthalb helferinnen fehlten (jutta & leonie haben sich den tag geteilt), ging uns die arbeit gut von der hand und wir haben dieses erfreuliche ergebnis erreicht.

  

und dann gings gleich weiter mit einer verzauberten fahrt, durch die mich freya gelotst hat. das schmale sträߟchen war in alle richtungen gewellt & gedellt. bei tempo 30 schlängelte & schaukelte sich der omnibus beschwingt durch wald & flur. nur manchmal sahen wir einzelne autos, für die wir dann vorsichtig am straߟenrand gehalten haben. gleichzeitig führte die fahrt in die dunkelheit (um sieben uhr abends!).

die verkehrzeichen paߟten überhaupt nicht ins bild und die langsamkeit verfeinerte die sensationen. wir fühlten uns beschenkt.

  

von wegen speck

  

hier in  hennigsdorf gibt es weder einen bioladen noch ein reformhaus. ich vermute, daߟ die, die sich nach der wende hier ein häuschen gebaut haben, in berlin arbeiten & kaufen. hier kaufen die ureinwohner in einer sehr künstlichen einkaufsmeile, an der die sammlerinnen nur auf & ab laufen konnten. alle haben geklagt, daߟ nichts los sei. einmal hatte ich einen schreienden hitler-verehrer am omnibus und öfters kam die frage: „kann man hier nicht gegen flüchtlinge unterschreiben?“

   
 
der omnibus hatte einen günstigen platz und wir hatten zeitweise drei helferinnen. am abend hatten wir mehr blätter zu zählen als am ersten potsdam-tag und viele menschen haben uns glaubhaft versichert, daߟ sie ins nahe gelegene rathaus (durch den tunnel) gehen und sich dort direkt eintragen würden.

wir sind jetzt bei 853 angelangt in drei tagen – heavy duty.

  

speckgürtelwoche

wir sind jetzt an der ersten station unserer speckgürtelwoche, in der wir grob im uhrzeigersinn um berlin herumfahren und jeden tag an einem anderen ort sind. morgen werden sich florentine & natascha zu uns gesellen …

   
   
ich bin gespannt – das wird hier vollkommen anders werden als in der landeshauptstadt, wo wir am zweiten tag viele helferinnen hatten. abends gab es dann die veranstaltung im filmmuseum, wo an der stirnwand zwischen den freitreppen als urtümliche filmschleife die projektion eines schimmels galoppierte.

  
spät nachts bin ich dann mit freya, florentine, leon, maximilian und valentin nach berlin gefahren und wir haben uns einen übernachtungsplatz in der nähe des hamburger bahnhofs  gesucht, wo am samstag um elf die führung mit johannes stüttgen begann und ich viele freundinnen getroffen habe, die ich selten sehe …

  
der mann an der kasse im museumsladen hat mir einen packen papiertüten in zwei formaten geschenkt mit einem spruch, den ich köstlich finde:

kunst ist schön

macht aber viel arbeit

von karl valentin. so eine tüte lag ein paar wochen auf meinem armaturenbrett (bis sie bei einem hektischen rangiermanöver mit offener tür fortgeweht wurde). jetzt habe ich also einen ganzen vorrat davon.

jetzt habe ich leidlich mit den ereignissen aufgeholt und schaue voller inter-esse auf die speckgürtelwoche.

  

lebwohl alt kladow

mit tietz & tietz & consorten habe ich endlich einmal einen ort gefunden, auf den ich mich freuen kann, wenn ich nach berlin muߟ.

wir haben einen reichhaltigen nachmittag dort verbracht und haben uns das eis lieber auf die terrasse geholt. das wetter war wieder traumhaft und allein der fuߟweg durch den park zum see war pure erholung. ich habe entdeckt, daߟ christiane eine aktive gärtnerin ist. drei generationen fluteten lebendig durchs haus und die gegenwart hat sich gemächlich ausgedehnt.

ich habe mit egon ein intensives gespräch über „biologisch-dynamisches design“ geführt und wir waren uns einig, daߟ das dahinter liegende prinzip ganz umfassend auf alle entwurfsarbeit anwendbar und als qualität digital überhaupt nicht zu erfassen ist. 

als demonstrationsobjekt hat er mir sein meisterstück gezeigt, einen einfach zerlegbaren dreibeinigen hocker, der sich selbst in einem ausbalancierten kräftespiel hält und dynamisch auf belastung reagiert. direkt einleuchtend. und er findet einfach niemanden, der damit in serie gehen würde. ich habe gleich einen aus der erstauflage bestellt. und spinne den faden gleich weiter zum klavierspielen.

   
   

endlich stille

  

die rote nadel markiert das anwesen von christiane & egon (drei generationen und eine firma leben dort auf sehr kultivierte weise zusammen) – ich habe ja schon gesagt, daߟ ich mich bei ihnen sofort geborgen fühlte. gestern abend habe ich christiane endlich auch einmal besser kennengelernen können. sie ist eine selbstbewuߟte bayrische donna. no nonsense mit einem schönen warmherzigen lachen.

da haben freya & ich erleichtert eine nabelschnur angeschlossen: wir können immer rein und haben alle bequemlichkeiten, morgen werden wir hoffentlich zusammen in die kleine italienische eisdiele direkt um die ecke gehen – die hat ihren letzten tag, obwohl das wetter traumhaft ist: goldener oktober.

der blaue punkt ist der ort, an dem wir mit dem omnibus stehen. in ruhe & frieden. zwischen der kleinen groߟen waldorfschule und der anthroposophischen klinik havelhöhe, den beiden gewerken von tietz & tietz. freya hatte mich aus dem vollgestopften feiertagsberlin, wo die ganze innenstadt abgeriegelt war, herausgelotst und wir haben tief aufgeatmet und erst einmal einträchtig das tohuwabohu der hektischen & überfüllten beiden tage in potsdam & berlin geordnet & aufgeräumt. ohne viele worte. das tut gut und hat mich an meine besten vorsätze erinnert. mit freya kann ich voll entspannt sein. wir haben auf der terrasse eines italieners lekker gegessen und sind am see entlang zum omnibus zurück spaziert. nur schade, daߟ es schon so früh dunkel wird.

   

  

und vorhin streifte hier ein riesiger fuchs herum …

  

und los

erster tag kampfsammeln. davon stehen mir jetzt fünf wochen bevor. ich sag dem himmel dank, daߟ ich jetzt freya bei mir habe: sie hat den laden voll im blick. in den nächten wird es deutlich kälter und heute morgen war die gasflasche leer und wir sind erst gegen mittag richtig in gang gekommen. florentine, die schon in hamburg eine woche dabei war, ist aus berlin gekommen, also sind wir jetzt: florentine, freya, valentin & ich.

  

 
ich bin voll in der arbeit drin und muߟ vor allem lokker bleiben – ich neige dann zur ungeduld. das ist ungesund. also bin ich eher in mich gekehrt und konzentriere mich ganz auf das, was ich immer besser kann. hier in potsdam war ich schon so oft, daߟ ich mich nach & nach immer besser einfühlen kann. wer geld hat, kann hier prima leben. es gibt vielfältige proportionen, wald, seen, flüsse … leon hat mir erzählt, daߟ der wannsee manchmal zufriert – wunderbar. das aristokratische geht mir am arsch vorbei. und die nazis und die ddr-nomenklatura. die hammelherde hat sich inzwischen ja nicht groߟ entwickelt. in letzter zeit stelle ich in meinen gesprächen oft die frage: „sind wir eine hammelherde ?“ 

(das wäre im übrigen ein bannertext, den ich bei der ttip-demo für produktiv halten würde)

als wir die türen zugemacht haben, kam noch mal ein ganzer schwall von menschen. am ende hatten wir 269 blätter mit bestellungen. zum zählen sollten wir uns solche noppigen gummi-fingerhüte zulegen, denn das war ziemlich umständlich. mit diesem ergebnis können wir zufrieden sein.