weit gekommen
zweimal mußten wir tanken – das zweite mal in „hemme“ hoch im norden, wo die autobahn schon aufgehört hatte – da paßten wir nicht unter das dach
die liebe freya wollte so schnell wie möglich ans meer, aber uns war ziemlich klar, daß wir die letzte fähre aus römö (das wird mit diesen dänischen ö-s geschrieben, die wie ein durchmesserzeichen aussehen) nicht erreichen würden.
also sind wir an der eider abgebogen und nach tönning gefahren in den historischen hafen. da war gerade ein volksfest im gange mit open air rockkonzert. der omnibus hat ein ziemliches aufsehen erregt, als er über das alte pflaster heranschaukelte.
wir haben dann ausschau gehalten nach einem platz für die nacht und sind an der hafeneinfahrt gelandet, wo wir direkt am wasser stehen.
auf einem langen spaziergang an der eider entlang haben wir uns dann langsam maritim eingestimmt und das kleine städtchen besichtigt. jetzt wird gerade noch gekocht und es sieht nach einem gemütlichen abend aus.
full house
kolja & ich haben jetzt zwei tage geputzt & aufgeräumt. wir sind in die waschstraße gefahren und heute abend habe ich jan den alten peugeot zurückgebracht und bei brigitte natalie & enoch & freya aufgelesen. brigitte hatte für uns die einkäufe erledigt und hat uns dann mit ihrem auto zum omnibus gebracht.
und weil wir uns gerade alle kennenlernen, habe ich wenig zeit, hier zu schreiben. wir waren zusammen beim italiener hier im gewerbegebiet zum essen. auf dem heimweg gab es einen spektakulären mondaufgang: riesengroß & gelb stand er am himmel und hatte eine aura. morgen gehts auf große fahrt. deshalb gehe ich jetzt lieber ins bett.
schon wieder nach mitternacht
und der mond ist rund und prall (am 31. ist vollmond).
heute bin ich ganz schön rumgegondelt mit dem alten peugeot. die handbremse funktioniert nicht und die tankanzeige schlägt wild aus zwischen halb voll und leer, obwohl ich für dreißig euro getankt hatte. beim bremsen aus höherer geschwindigkeit (ich fahr eh höchsteins 120) muß ich pumpen. leichte übung, mich darauf einzustellen, aber ich habe mit diesem auto zu wenig erfahrungswerte, um mich richtig zu entspannen.
ich hatte ein stelldichein mit einer inter-essanten donna, die auch schon alte kundin von emiko war. nachdem sie mich zuhause schon reich beschenkt hatte …
(unter anderem hat sie mein geliebtes himmelfarbenes leinenjackett, das ich immer zusammen mit dem weißen strampelanzug anziehe, sehr schön repariert und damit zu einem wirklichen einzelstück veredelt. ich liebe solche handschriftlichen spuren auf meinen kleidern!)
… sind wir zusammen zu emiko gefahren. ich habe mich mit ihr beratschlagt über mögliche anwendungen und sie als (meine) neue kundin dort eingeführt. und gleichzeitig konnte ich – letzte gelegenheit vor meiner fahrt nach norden – meine vorräte für den omnibus auffüllen. die abwicklung der unterschiedlichen geschäfte war dann so lebhaft mehrgleisig, daß ich einen posten vergessen habe (das wird jetzt kompliziert).
unseren breitbandigen analogen austausch haben wir dann noch mit üppigen eisbechern gekrönt.
das unsichtbare komitee
hat mich in seinem bann – das sind wahre zeitgenossinnen (mich würde das weibchen / männchen-verhältnis bei denen inter-essieren). vor einigen jahren haben sie unter dem gleichen namen eine flugschrift herausgegeben. die hieß: „der kommende aufstand“ … die hat sich auch viral im netz verbreitet.
inzwischen sind sie an allen brennpunkten & krisenherden persönlich dabeigewesen und berichten sehr nüchtern und unverhohlen von ihren erfahrungen & einblicken. die sprache ist klar und musikalisch, eindeutig die frucht einer anspruchsvollen kollektiven improvisation, die das äußerste herausgeholt hat. total unideologisch & eigenwillig.
und dann schenken sie uns diesen ganz besonders inter-essanten erfahrungsschatz unter dem titel: „an unsere freunde“ ! ich finde das sehr schön & gelungen – seine wahrnehmungen zur allgemeinen verfügung stellen und das noch mal veredelt durch die kollektive anonymität. faszinierend !
aufm hof
inzwischen bin ich wieder bei michael auf dem hofe, auch so eine art von zuhause.
mittags war der omnibus fertig (na, ja – es entweicht weiterhin luft aus dem system. und die frage des öl schwitzenden getriebes ist noch immer nicht geklärt) – ich habe eine ausführliche runde gedreht und dann die radmuttern von den hinterrädern schon ein erstes mal mit dem drehmomentschlüssel nachziehen lassen.
und dann den omnibus aufm hof installiert und mit dem achtziger-jahre-peugeot besorgungen gemacht – petrasilie usw.
jan hat mich mit seinem öl-nachfüllen ganz paranoid gemacht und die tankanzeige schwappt zwischen einem viertel und null hin und her. ansonsten ist das auto ein segen.
heute habe ich die tagebücher von ruth andreas-friedrich zuende gelesen – ich bin erschüttert von ihrem schicksal und für immer beeindruckt von dieser frau. ich will noch mehr über sie erfahren. sie hat mich wahrhaft eines besseren belehrt: ich konnte mir nie vorstellen, daß es während des tausendjährigen reichs nicht auch ein unspektakuläres netzwerk unabhängiger geister gegeben hat, das aktiv & pragmatisch widerstand geleistet hat, mit vollem risiko. die einzigen zeugen, die ich dafür hatte, waren otl aicher und arno schmidt – beide ganz bewußt nicht abgehauen während der nazizeit und beide sehr gute beobachter. aber diese frau war viel mutiger als sie, eine richtige amazone. und sie hat nach dem krieg die erste frauenzeitschrift herausgegeben.
ich mag mich nicht zuviel mit geschichte beschäftigen, weil sie immer verzerrt ist. den einzig-möglichen zugang zur geschichte bieten biografien, am besten selbst erzählte. wie die von maria mies, die ich diesen winter gelesen habe. aber tagebücher sind noch einmal etwas anderes: sie sind wie beobachtungsposten in einer anderen zeit. für mich war das sehr aufschlußreich und ermutigend. wieder so eine tolle frau !
als nächstes werde ich wahrscheinlich eine flugschrift vom „unsichtbaren komitee“ lesen, „an unsere freunde“ – hab ich letztens im museum gekauft.