dritter tag

heute haben wir noch einmal zugelegt – wir sind schon ein teil des stadtbildes geworden und immer noch kommen menschen wegen des artikels im altmühl-boten (eine freundlich inter-essierte redakteurin hat fröhlich frei die initiative ergriffen). unser ergebnis war das beste von allen drei tagen. 

eine frau, mit der ich eine ganze weile ehrlich & offen gesprochen hatte – und die genau verstanden hat, was ich ihr sagen wollte, hatte mir irgendwie zögernd ihre telefonnummer gegeben. einige zeit später kam sie noch einmal wieder und übergab mir ganz bescheiden, aber fest entschlossen einen briefumschlag und sagte: „ich habe noch einmal nachgedacht und möchte sie bitten, mich von der telefonliste zu streichen. ich möchte das jetzt gleich machen, bitteschön.“ dann haben wir uns ganz herzlich verabschiedet. erst danach habe ich in den umschlag geschaut und einen fünfzig-euro-schein gefunden. das hat mich sehr berührt.

es war warm und es lag eine gewittrige stimmung in der luft mit gewaltigen wolkenbildern. nach der arbeit sind wir auf vertrackten umwegen durch abwechslungsreiche schöne landschaft zum schloߟ tempelhof gefahren. in die abendsonne hinein. ich hatte ganz schön was zu kurbeln.

und ja: meine mikroorganismen sind angekommen! ich habe gleich mal ein paar milliarden im omnibus versprüht. wir hatten schon richtig sehnsucht danach.

die arme sophia hat zum ersten mal erfahren, wie furchtbar weh das tut, wenn man sich ohne haare den kopf stöߟt – sie hat noch ein speschl trietmänt erhalten.

   
  

zweiter tag

im kleinen gunzenhausen. am morgen, noch bevor ich aufgestanden war, ist martin, der künstler, der mal schnuppern wollte, schon wieder abgereist, weil er kein nikotin vertragen kann (ich bemühe mich immer nach kräften, alles zu vertragen). ich war ganz erleichtert. zu fünft in gunzenhausen – das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

der betrieb war sehr ruhig und es wurde stetig heiߟer – bis zu dreiߟig grad waren angesagt. die jungs haben geputzt und – hoffentlich zum letzten mal – mit der stinkenden, giftigen paste den goldenen gürtel blank gemacht, wo sie drankamen. fast alle von nicht vielen, die gekommen sind, kamen, weil sie den artikel im altmühl-boten gelesen hatten. manche kamen eigens deshalb in die stadt. wir haben wieder gekocht und festgestellt, daߟ wir sehr viel wasser verbraucht haben, denn während des kochens war plötzlich unser tank leer. die geschäfte waren schon zu. während ich noch darüber nachdachte, ob wir jetzt wirklich den omnibus bewegen müߟten, um wasser zu kriegen, ist leon mal schnell ein wenig in der umgebung herumgelaufen und hat die vermieterin eines kleinen käseladens gefragt, ob wir unseren schlauch bei ihr anschlieߟen könnten – sie hat ohne weiteres ja gesagt, und so konnten wir sofort an ort & stelle während des kochens unseren tank wieder vollmachen. alle achtung vor dieser geistesgegenwart.

später am abend habe ich von sophia erfahren, daߟ sie jetzt für die nächsten zwei monate eine möglichst herausfordernde arbeit sucht und dabei völlig flexibel ist – sie würde auch in eine andere stadt ziehen. ich würde sie sofort mit kuߟhand nehmen. sie ist immens fleiߟig, arbeitet völlig selbständig und man braucht ihr nichts zweimal zu erklären. im umgang ist sie kristallklar. also, ihr da drauߟen (jan, freya, maria, jonathan, brigitte, werner s., andrea, maxie und so weiter): ergreift die einmalige chance und schaut sie euch an!

   
    

sophia: graziös

ich habe gestern auf ihrem schoߟcomputer ein video gesehen, in dem sie tanzte – und ich habe gleich gesehen, daߟ sie eine künstlerin ist, zierlich und zitternd beweglich wie eine gazelle, ich muߟte jedenfalls tief atmen, als ich sie so gesehen habe …

wir haben viel geredet und sie hat mir von ihrem wunsch erzählt, mal ihren kopf zu sehen und sich von ihrem haupthaar zu befreien. und gestern, spät abends, hinten im omnibus – sie saߟ auf einem stuhl – durfte ich das zelebrieren – in drei stufen. sie war mutig und entschlossen und ich war aufgeregt, weil ich unbedingt sicher sein wollte, daߟ ich sie nicht über die maߟen beeinfluߟe.

aber sie ist eigensinnig, klar und immer ehrlich. sie sagt nur, was sie will. über zwei stunden haben wir uns auf ihre verwandlung konzentriert. wir waren uns ganz nah dabei. es war wie die auferstehung einer grazie, vollkommen natürlich und ungeschminkt erschien eine elegante, kapriziöse dame, ganz frisch. die jungs standen mit offenem mund da und haben gestaunt. und sie war froh & glücklich, daߟ wir das geschafft haben. sie würde gern eine springerin sein und viel mitfahren im omnibus. bei mir ist sie für immer willkommen!

   
     

wir sind zusammen shoppen gegangen und ich habe sie modisch beraten … am ende war es ein schwarzer, weich fallender jumpsuit, der am besten zu ihr paߟte. und es war so heiߟ, daߟ ich zum ersten mal meinen weiߟen strampelanzug und mein himmelfarbenes jackett anziehen konnte.

gunzenhausen

jetzt sind wir in einem städtchen, wie ich sie liebe: wo die gesichter der häuser der straߟe zugewandt sind – wo der alltag flüssig von entspannten menschen geregelt wird, mit vielen perlen dazwischen. die sichtlich ihrem herzen einen stoߟ geben und wirklich wissen wollen, was wir machen. mit ihnen braucht man nicht zu dis ku tieren (wie sich das schon anhört). wenn ihnen ein sachverhalt einleuchtet, verlieren sie weder wörter noch zeit und treffen die notwendigen entscheidungen sofort. das ist richtig erholsam.

auf manchen durchblicken kann man eine unaufdringliche, harmonische farbpalette sehen, an die sich alle halten, weil sie uralt & absolut stimmig ist. 

wir stehen wieder auf der straߟe (wie in wiesbaden-biebrich) und die jugendlichen fahren mit ihren gepimpten kleinwagen immer im kreis herum – ich frag mich, ob die wenigstens eine acht fahren. wir stehen direkt vor dem altmühl-boten, und gleich heute morgen kam eine interessierte redakteurin von sich aus in den omnibus. sie wuߟte sogar schon, daߟ wir vor vier jahren schon einmal hier waren. für die morgige ausgabe wird es einen artikel und ein foto geben. sie war sehr freundlich und offen.

wegen des feiertags werden wir drei tage hier sein … schön & gut … aber jonas, der im vorigen herbst den abschluߟ der tour sehr konzentriert mitbekommen hat und zu den jungen hinzugestoߟen ist, ist dazugekommen und heute abend noch martin, ein musiker / performancekünstler, der in den überall sprieߟenden graswurzelbewegungen arbeitet und für zwei tage mal schnuppern will im omnibus. für dieses kleine städtchen ist das personeller overkill – morgen werden wir arbeitskommandos bilden und die hälfte wird sich dem omnibus widmen.

   
   

nele & tobi

am sonntagmorgen um zehn waren sophia & ich mit nele & tobi von der quelle zum frühstück verabredet. sie haben brötchen und geschenke für uns mitgebracht und wir haben das frühstück wohlig lange ausgedehnt. freunde von ihnen sind dazugestoߟen und es ist früher nachmittag geworden, bevor wir nach gunzenhausen gefahren sind. wir haben uns viel zu erzählen gehabt und sind gute freundinnen geworden.

eine geschichte fand ich besonders schön: tobias hat erzählt, daߟ er seine schulische und anderweitige ausbildung nur seiner mutter zuliebe gemacht hat und daߟ es ihm wichtig war, seiner mutter als erwachsener wirklich feierlich zu erklären, was für eine wundervolle mama sie gewesen und wie unendlich dankbar er ihr dafür sei. als ich sagte, wie gern ich seine mutter mal kennenlernen würde (denn tobias ist wirklich sehr gelungen), stellte sich heraus, daߟ sie im stuhlkreis neben mir gesessen hatte: eine bescheidene, in sich ruhende, selbstbewuߟte frau, die sich auch im kreis mit klarer stimme zu wort gemeldet hatte. da paߟte mal wieder alles zusammen!

   
   

mein paket

am samstag abend hat mich michael aus hattingen angerufen und mir erzählt, daߟ mein paket jetzt bei ihm eingetroffen sei.

wir haben dann schnell eine glückliche lösung gefunden: er wird es jetzt an die lebensgemeinschaft schloߟ tempelhof schicken und wir können es dann am feiertag dort abholen. und meine begleiterinnen lernen tempelhof kennen und sind schon ganz gespannt darauf.

dann kann ich endlich wieder mit meinen experimenten fortfahren.

  

nachtrag zu „endlich ruhe“

als ich unter dieser überschrift meinen eintrag damit beendet habe, daߟ das essen fertig war, haben wir noch eine schöne überraschung erlebt.

eine türkische frau hat ganz höflich und zaghaft an unserer tür geklopft und uns gefragt, was wir machen. daraus entspann sich ein für alle beteiligten hochinter-essantes, warmherziges gespräch über istanbul, deutschland und die unterschiede zwischen der türkei und deutschland. ich habe noch eine der türkischen unterlagen zu democracy in motion herausgekramt und sie hat sich in unsere unterschriftenliste eingetragen und sich für unsere arbeit bedankt. sie hat von ihrem leben in deutschland (seit 30 jahren) und von ihrer arbeit bei quelle erzählt und wir haben uns ganz vertraulich ausgetauscht …

ich war sogar so geistesgegenwärtig, sie um ein volk-foto zu bitten: