sprung zurück zum kuhberg

nachdem ich mir einen ersten überblick verschafft hatte, habe ich mit leon noch eine kleine architekturführung gemacht und ihm die qualität dieser häuser vor augen geführt. und je genauer ich hingeschaut habe, desto schöner fand ich diese häuser. ich war selig.

und dann bin ich mit einem alten kunstprofessor ins gespräch gekommen, der sich dem omnibus höflich inter-essiert genähert hat. es stellte sich heraus, daߟ er zur ersten studentengeneration der hfg gehörte. seine diplomarbeit war ein stapelgeschirr für groߟkantinen, ein wirklich schöner archetyp für diese aufgabenstellung. und er hat besonders in der aufbauzeit der hochschule nah mit otl aicher zusammengearbeitet und ihn gut gekannt.

und ich fragte ihn: „wohnen sie etwa in einem dieser wunderbaren häuser?“ er wohnte schon ganz lange und immer wieder in seinem haus – mit ausgedehnten lebensabschnitten in berlin und amerika, soweit ich das verstanden habe. ich war so glücklich, endlich mal mit einem intelligenten zeitzeugen sprechen zu können. das gespräch hat alles bestätigt, was ich aus meiner verschobenen zeitperspektive bisher von der hfg und von otl aicher wahrgenommen hatte. und mit einem geschmeidigen klick bin ich selbst plötzlich zu einem zeitzeugen geworden, weil ich die häuser selbst gefühlt hatte.

als wir uns verabschiedet haben, habe ich auf unsere prinzessin gedeutet und ihm unsere toilettensituation erklärt (es war samstagabend auf dem kuhberg). er hat das sofort zu seinem problem gemacht und überlegt, ob er noch einen schlüssel für die schule hat … und wollte uns später bescheid sagen. als wir gerade beim essen waren, kam er wieder. er hatte keinen schlüssel gefunden und uns seine hausnummer gesagt und erklärt, daߟ er eine möglichkeit hätte, uns in sein haus hereinzulassen … und wir sollten doch nach dem essen mal bei ihm vorbeikommen, damit er uns das zeigen könne.

ich habe dann mit sophia bei ihm geklingelt und wir haben auch seine frau kennengelernt. sie haben uns zuerst erklärt, wie wir schwupps gleich um die ecke ihre toilette benutzen könnten. und dann sind wir in ein anregendes gespräch gekommen und wir haben festgestellt, daߟ wir einige bekannte und viele themen gemeinsam hatten. am ende haben wir noch eine führung durch das ganze haus bekommen. 

alles wunderbar: das licht, der ausblick, die durchblicke, die räume, die werkzeuge, die gegenstände, die zurückgenommenen schönen möbel. die leicht hingeworfene zweckmäߟigkeit und die kraftvolle persönliche ausprägung. nicht korrumpierbar.

anschlieߟend habe ich sophia noch einmal die häuser gezeigt. alle haben diese persönliche sprache, obwohl die grundelemente gleich sind. wir haben gelernt in welchen häusern inge scholl, otl aicher und max bill gewohnt haben. max bill hat geschickt ein riesiges bildhaueratelier halb im boden versenkt – von auߟen nicht zu sehen. und die meisten garagen hatten keine türen. oft lagen sie zu zweit nebeneinander an der trennungslinie zwischen zwei häusern. dann sahen die beiden garagen so aus wie abteilungen aus der hirschjagd von beuys, diesen eisenschrank aus seinem atelier im zweiten raum des darmstädter blocks und gewährten tiefe einblicke in die persönlichkeiten der bewohner.

es war ganz still dort oben und – wie gesagt – wir konnten fast hundert kilometer ins land schauen. wir hatten eine schöne nacht – und am sonntag ging es mit noch einmal erhöhter intensität weiter … aber es ist jetzt spät, deshalb jetzt nur noch ein paar stimmungsbilder von dem ort, wo ich jetzt stehe:

   
     

ulm

ich komm nicht nach mit den vielen erlebnissen …

   
 

die meisterhäuser

und dann habe ich die meisterhäuser entdeckt (so hieߟen die beim bauhaus dessau, das bei mir als hochschule an zweiter stelle kommt).

von unserem platz führten zwei stichstraߟen an zwei gestuften, hangwärts eingebauten häuserreihen vorbei, deren volumen von der straߟenseite überhaupt nicht zu erkennen war. sie waren jeweils nur an der hangzugewandten seite zugänglich. diese häuser stammen nicht alle aus der bauzeit der hfg, aber sie ordnen sich liebevoll & organisch in den ganzen groߟen entwurf ein. ich würde sofort in jedes dieser häuser einziehen und würde mich völlig zuhause fühlen …

   
       

und noch zwei zur nacht, denn es ist schon spät und ich muߟ jetzt ins bett:

   
 

unverhoffte glückseligkeit

träume erfüllen sich ganz selbstverständlich: samstag nach der arbeit sind wir nach ulm auf den kuhberg gefahren zu meiner geliebten hochschule für gestaltung gefahren, mitbegründet von otl aicher, die progressivste hochschule nach dem zweiten weltkrieg – ich behaupte mal unerreicht bis heute – inkompatibel mit dem besinnungslosen staat des wirtschaftswunders, glorios 1968 vom staat kaputtgemacht … und die protagonisten der hochschule haben alle schleimigen annäherungsversuche einhellig zurückgewiesen.

global war die hochschule so ziemlich das beste, was in dieser zeit aus der wissenschaft herausgeholt werden konnte. absolute avantgarde, mit heute noch spürbaren wirkungen besonders in ländern der dritten welt, die bereit oder gezwungen sind, einmal ernsthaft alle ihre sinne auf die praktische verarbeitung der wirklichkeit zu richten und verantwortung zu übernehmen.

übrigens hat hier auch das eifohn seine wurzeln!

wir haben uns hoch oben einen platz gesucht, wo bei entsprechendem wetter die alpen zu sehen sind. gestern konnte man so ungefähr siebzig kilometer ins land sehen. da fühlten wir uns schon unverschämt gut.

   
 

ich bin dann rumgewandert und habe versucht, alles aufzunehmen, was da für mich zu spüren war und ich war von der schlichten schönheit wirklich überwältigt. sowas brauchen wir jetzt immer drängender. für mich war die hochschule immer ein groߟes vorbild und otl aicher ein wahrer meister, einer der ganz wenigen einsamen solitäre, die aus dem allgemeinen stumpfsinn herausragen.

ich habe ein paar bilder gemacht und war schon richtig glücklich:

   
     

diese architektur ist fast so alt wie ich! 1953 gebaut von max bill, mit viel unterstützung von den amerikanern, die keine ahnung hatten, was sie nun mit diesen deutschen anstellen sollten. geholfen hat auch, daߟ so kurz nach dem krieg fast alle deutschen bei dem namen inge scholl sozusagen automatisch ein schlechtes gewissen hatten. ich bin unter genau diesen heuchlern groߟgeworden. lauter feiglinge.

diese architektur ist so zweckmäߟig und schlicht, so schön eingebettet in diese spektakuläre topologie – ich könnte weinen vor freude. und die pflanzen sind auch in ihrer komposition schon sechzig jahre alt und bringen bringen die intelligent eingesetzte spitzentechnologie wieder zum verschwinden. mit meiner ddr-affinität würde ich als kompliment sagen: wunderschöne plattenbauten.

   
 

presse

sophia hat sich gestern als presse-agentin versucht und ist zweimal in die redaktion der neu-ulmer zeitung gegangen. mittags kam dann auch ein fotograf zum omnibus, für den wir noch den stehtisch herumgetragen haben, damit er uns und den omnibus schön ins bild setzen konnte. und sophia hatte den ziemlich guten artikel aus gunzenhausen als beispiel mitgenommen (den hat die redakteurin sich kopiert).

aber dann hat sie auch gleich die ganzen frustrationen miterlebt, mit denen sich andrea und wir alle am omnibus immer wieder herumschlagen müssen, denn heute war nur eine schwer auffindbare kurze notiz in der dicken samstagsausgabe, in der vom „bundesweiten bürgerentscheid“ die rede ist. es gruselt mich, wenn ich so was grundfalsches lese.

  

und gestern hat sie schon ganz selbständig die fühler nach der „neuen presse“ in ulm ausgestreckt und dort eine redakteurin angerufen – die muߟ jetzt von andrea noch mit material gefüttert werden.