gemeinde bamberg

bamberg war mein zweiter versuch, nach besten kräften bei einem bürgerbegehren mitzuwirken – ein höhepunkt im vorigen jahr war ein bürgerbegehren in flensburg, das mir als rauschhaftes demokratie erleben in schönster erinnerung ist. damals war der OMNIBUS voll mit intrinsisch motivierten sammlerinnen, die sehr offensiv unterwegs waren. mit den aktiven vor ort entwickelte sich ein gut gelauntes zusammenspiel und ich habe einige naturtalente für diese arbeit kennengelernt. vor allen dingen haben wir in der bunten vielfalt dieser big band kein wort über politik verloren. kunst statt politik. besser gings nicht.

dieses mal kam ich solo und mit bangen erwartungen an und konnte mir nicht vorstellen, welchen beitrag ich hier in den vier aktionstagen leisten könnte. dann kamen die beiden jungs und versetzten mich in den siebten himmel – und dann lernten wir andreas kennen, die vertrauensperson dieses bürgerbegehrens, die ich bewundernd in meine demokratische heldengalerie aufgenommen habe:

obwohl er voll berufstätig war als verkäufer von eisenbahnen, hat er uns herzlich empfangen und während der ganzen zeit liebevoll betreut. er ist ein fahrradenthusiast und hat emsig unsere „bühnentechnik“ und alle utensilien mit einem schwerlastrad mit dicken reifen transportiert – er hatte auch schon einige bromptons. organisatorisch hatte er alles perfekt vorbereitet und dafür gesorgt, daß immer mindestens zwei menschen, die sich auskannten, uns am OMNIBUS unterstützt haben.

vor allem hat er uns diese spektakuläre bühne organisiert, auf der wir zwei tage und eine verbotene nacht verbracht haben – da war immer bis in die nacht hinein was los. samstags haben wir neben dem OMNIBUS einen pavillon aufgebaut für videoprojektionen und allerlei aktionsangebote …

das ist zum beispiel eine speichenkarte, die auf neutrale weise das anliegen der initiative veranschaulicht – eine im rahmen des möglichen konsequente verbesserung der urbanen lebensqualität und verantwortungsvolle pflege der altstadt, die als weltkulturerbe eine menge touristen anzieht.

ich hätte mir also wieder mal keine sorgen machen sollen, denn insgesamt war die aktion ein voller erfolg – auf eine völlig andere weise als in flensburg. andreas geht das genauso geduldig an wie ich und ist nach allen seiten hin offen. sie haben alle zeit der welt, denn es gibt keine frist für die sammlung. es gibt wohlwollen im stadtrat, der aber dieses mal gezwungen werden soll, einen verbindlichen maßnahmenplan vorzulegen und die vorschläge nicht in der schublade verschwinden zu lassen. dieser bürgerbegehrens-event war eine hoch interessante variante und alle haben ihr bestes gegeben …

die boyzz

das war mein erster landeplatz im westen: der maximiliansplatz in bamberg, wo wir unverhofft zu einem viertätigen gastspiel bei einem bürgerbegehren eingeladen waren.

als ich nach 150 solokilometern auf dem platz einlief, war jonas schon dort und hatte sogar die nötigsten einkäufe erledigt. schlagartig stülpte sich qualitativ etwas um und wir waren das schlagende herz einer einmalig groovenden band. das schönste war, daß jonas schon einen tag früher auftauchte als versprochen. nach stressigen wochen mit zeugnisschreiben ist er gleich am anfang seiner sommerferien zum OMNIBUS gekommen, um sich in der alltäglichen wirklichkeit innerlich blank zu machen und bereitwillig auf unser zusammenspiel einzulassen.

sein cello hat mich über den ersten coronawinter gerettet.

dann flatterte am abend des ersten tages – auch früher als erwartet – danilo bei uns ein und hatte vieles zu berichten. jonas hatte sich schon darauf gefreut, danilo kennenzulernen. die beiden bildeten gleich ein interessantes gespann und es kam richtig leben in die bude. abends saßen wir in trauter runde und ließen unsere gedanken zusammenfließen zu einer lebendig ausbalanzierten homöostase – seit einiger zeit eines meiner lieblingswörter.

leider ist danilo auch mehrere tage als erwartet früher davongeflattert … gleichwohl kann ich kaum beschreiben, was es für mich bedeutet, teil einer lässig groovenden band zu sein. besser gehts nicht !

meine engel

als wir aus dieser raum / zeit konstellation vertrieben wurden, wäre ich ohne die beuys verloren gewesen – sie fühlten sich an wie glieder, die emsig etwas größeres antrieben, denn ich funktionierte nur noch im leerlauf. so haben wir es zügig hinter uns gebracht …

die kettenbrücke, auf der wir zwei brüllend heiße tage und eine eher unruhige nacht verbracht haben, war eine spektakuläre bühne für den OMNIBUS. als die sonne senkrecht über uns brannte, haben wir heute den OMNIBUS mit einem publikumswirksamen manöver um 180 grad gewendet, so daß wir fast den ganzen tag
schatten hatten – fix dazugelernt.

staatsgewalt

nach einem sehr erfüllten tag unter heißer sonne, der bis in die nacht hinein ausfranste – hatten wir gerade mit der gemeinsamen entspannung begonnen – und danilo machte mir einen tee, damit ich hinten im OMNIBUS mit dem schreiben beginnen konnte, tauchten völlig unerwartet zwei polizisten auf – an diesem märchenhaften platz, an dem wir auch schon die letzte nacht verbracht hatten und morgen mit andreas verabredet waren. sie verlangten (besonders einer von beiden) unerbittlich, daß wir von dort wegfahren sollten. sowas passiert alle zwei jahre mal.

nachdem ich zu erkennen gegeben habe, daß ich dem befehl gehorchen würde und ihm die konsequenzen vor augen geführt habe, die das für uns haben würde, hat es ihm irgendwie leid getan – und er hat nicht abgewartet, bis wir losgefahren sind – wenigstens das!

durch verschlungene & verbotene wege sind wir zu einem busparkplatz gefahren und ich bin nur noch fähig, dieses bißchen zu schreiben. es ist halb zwei und ich schaue ungefähr so aus der wäsche:

übrigens

standen wir am wochenende genau auf der grenze zwischen erzgebirge & vogtland. lisa hatte es so eingerichtet, daß wir von der letzten station der saxentour nur etwa 10 km entfernt waren. gerolf hat mir am samstag mit seinem auto unseren platz gezeigt – da konnte ich ihn schön mit fragen löchern.

die fahrt durchs erzgebirge habe ich mit einem kribbeln im bauch genossen – war ganz schön abenteuerlich – die ganze saxentour war ja ein urerlebnis für mich. mehrfach sind wir in eine mikrostruktur geraten, für die der OMNIBUS nicht geschaffen war. wir haben in mulden versteckte dörfchen entdeckt, die nur mit ganz dünnen linien verbunden waren. weit & breit keine richtige straße. stundenlang.

auerbach im vogtland war dann ein eher melancholischer ausklang unserer fahrt in den osten. obwohl er mich deutlich wahrgenommen hat, hat der bürgermeister mich nicht begrüßt.

drei tage. ich allein. pralle sonne. wenig menschen. 30 unterschriften & 1 allerdings sehr sympathischer förderkandidat am letzten tag. einige menschen sind noch einmal gekommen, nachdem sie die unterlagen gelesen haben. niemand hatte je etwas vom OMNIBUS gehört. viele haben gesagt, sie hätten alle hoffnungen aufgegeben. ich solle allerdings unbedingt weiter fahren. montags gab es am abend eine friedensdemonstration, an der etwa 50 menschen teilnahmen. abends um zehn war es totenstill und keine toilette zu finden.

ich hatte meine liebe mühe, lokker zu bleiben und resolute entscheidungen zu treffen. die gespräche waren ja durchaus anrührend. zur abwexlung habe ich mir szegediner gulasch zubereitet und drei tage glücklich davon gegessen.

forstmeister

hier will ich mich ausdrücklich bei lisa bedanken für die inspirierenden wochenendplätze, die sie für die saxentour organisiert hat. das „hotel forstmeister“ war eine schöne überraschung – ehemals in der ddr ein ferienheim – von entschlossenen menschen zu einem beeindruckenden betrieb ausgebaut. mit gerolf seidel habe ich mich gleich angefreundet. er hat mir viel über die geschichte des betriebs erzählt – mit allen möglichen verzweigungen. er erwies sich als „kräutermeister“ – dieses wort habe ich gerade extra für ihn erfunden. in seiner küche sah es aus wie in einem wissenschaftlichen labor.

sie haben geschickt einen in den hang planierten tennisplatz in einen wohnmobilplatz umgebaut, mit einer für den OMNIBUS zu steil abschüssigen zufahrt. das war überhaupt kein problem – wir sind sehr hilfsbereit & unkompliziert empfangen worden und hatten uns schnell auf einen „wilden“ platz geeinigt. die sanitären anlagen waren ein traum, nämlich zwei extra dafür bereitgestellte hotelzimmer. diese haltestelle hat mein herz im sturm erobert. in die datenbank damit.

ich bin überall herumgestreift und war von der pragmatischen vielfalt des angebots ziemlich beeindruckt – das unternehmen hat sich in den zeiten von corona eine erstaunliche gesundheit bewahrt und geschmeidig auf diese herausforderung reagiert. es ist tief verwurzelt und gleichzeitig überregional bekannt.

salto rückwärts

annaberg-buchholz kann ich hier nicht einfach weglassen – hier hat vor 500 jahren der bergbau der wissenschaftler & ingenieure begonnen – im erzgebirge. die zwillingsschwester im westen heißt clausthal-zellerfeld im harz auf gleicher höhe.

die stadt liegt in 750 meter höhe. ganz am anfang der saxentour hat mich jemand gefragt, wie ich denn mit diesem alten OMNIBUS da raufkommen wollte. darüber habe ich mir die ganze zeit den kopf zerbrochen. und auf der einsamen fahrt von grimma nach annaberg-buchholz habe ich gemerkt, daß ich viel abenteuerlustiger sein könnte, denn es gab so viele baustellen & umleitungen, daß sich selbst die einheimischen nicht auskannten. und ich staune noch immer darüber, wie lässig & wohlgemut ich ins ziel eingelaufen bin. fazit: „keine sorgen machen!“

der marktplatz ist weithin die einzige größere ebene fläche – ansonsten geht es heftig rauf & runter. die stadt hat ihre urwüxigkeit behalten und ist liebevoll restauriert, ohne so geleckt zu sein wie döbeln & grimma. und weil hier der industrieelle kapitalismus ausgeheckt wurde, gibt es auch diesen prototyp einer konsumhölle mit pickelhaube.

was urwüxig angeht, hat mich am ersten abend magisch eine tausend jahre alte kirche angezogen, die am höxten punkt der stadt steht wie ein gebirge.

durch dieses tor bin ich dann tief in die vergangenheit eingetaucht und habe meiner fantasie freien lauf gelassen. ich sah die stadt im winter tief eingeschneit und suchte nach einer passenden stimmung.

ich kann nie vergessen, daß an solchen brutstätten der sogenannten naturwissenschaften auch der militärisch-industrielle komplex entstanden ist, vor dem der amerikanische präsident eisenhower nach dem zweiten weltkrieg gewarnt hat.

leider bin ich nur am ersten abend zu einem spaziergang gekommen – es bleiben viele wunderfitzige fragen offen.