brechreiz brrrexittt
dieses neue weltraumklo in greifswald – ein roboter, der mich mit gierigen schlitzen anstarrt, um meine wertvollen verdauungsprodukte gegen geld aus dem kraftstrom des lebens herauszureißen, erinnert mich daran, wie ich die allfälligen gespräche über den brexit erlebe: zum kotzen !
selbstgerechte, moralinsauer argumentierende arschlöcher, die noch nicht einmal den unterschied zwischen einem referendum und einer volksabstimmung kennen, sich aber für besonders schlau & demokratisch halten, plappern ferngesteuert die parolen der tödlich beleidigten medien nach, die lange vergeblich aus allen rohren gefeuert und friede freude eierkuchen verkündet hatten. jetzt platzen die phrasen der heuchler wie seifenblasen. wunderbar.
bei der fußballeuropameisterschaft, die im augenblick soviel aufmerksamkeit der weltmeister verschlingt, sind allein vier mannschaften von den britischen inseln: england, wales, irland und nordirland. und gestern wurden das große england von dem kleinsten island deklassiert.
um hier mal zwei riesige aufmacher von der bildzeitung und vom spiegel zu zitieren:
„Gehts noch?“
die natürlichen bestandteile sollen das untote verwaltungsmonstrum nur tüchtig kitzeln – ich will als rheinländer nach kräften dazu beitragen. die durch schulden und ein schlechtes gewissen verklumpten und jederzeit korrumpierbaren nationalstaaten müssen sich sogar wahrscheinlich in ihre muttersprachlichen einheiten auflösen, um sich unter neuen vorzeichen neu bilden zu können – als subjektiv improvisierendes orchester, mindestens als big band mit lauter individualistinnen, damit die differenz ihre wirkungen entfalten kann. für mich ist das eine aussichtsreiche perspektive.
greifswald
da fällt mir ein: die hanse, backsteingotik, caspar david friedrich, stadt der romantik … es könnte hier sehr friedfertig & befriedigend sein. aus dem arbeiter & bauern-staat gibt es sogar romantische plattenbauten mit backstein-platten und auf einheitlicher traufhöhe abgeschrägten giebeln mit echten dachziegeln, mal abgesehen von häßlichen waschbetonsockeln & -rändern & -balkonen. ich würde gern mal eine wohnung von innen begutachten.
die infrastrukturelle abgeschiedenheit ruft danach, sich mit einem bolo mal existenziell auf eine aufgabe zu konzentrieren. mich wundert nur, daß mein netzwerk hier oben dichter ist als bei vielen freundinnen, die ziemlich isoliert nebeneinander die schönsten projekte laufen haben.
ich komme mir hier vor wie auf einer tournee, bei der ich alle knotenpunkte abklappere. überall in der landschaft intensiv leuchtende sprenkel von klatschmohn & kornblumen. uralte haine & alleen. holprige, längs gewellte pflasterstraßen. spiegelglatte bodden mit den sahnetupfern von schneeweißen cumuluswolken auf tiefblauem himmel. meeresstrand mit richtigen schaumkronenbrechern. maritimes ambiente. wildes wetter & himmlische ruhe.
& maßlos übertriebene agrarindustrie, die total unwirtschaftlich ist. das erzeugt eine ambivalente spannung und eine gewisse melancholie – so eine art romantik-update. da fühle ich mich gleich zuhause. meine bildung stammt aus romanen, also bin ich ein hoffnungsloser romanticker & spinner.
ich habe zu wenig schlaf.
siedenbüssow
mit offener tür sind wir nach der arbeit von kilian nach siedenbüssow gelotst worden, wo seine mutter, susanne wiest, lebt und er große teile seiner kindheit verbracht hat. leon mußte mit dem auto hinter uns herfahren und hat dadurch eine lektion über das „gondeln“ gelernt, die entspannteste form des autofahrens.
susanne hat am ortsausgang ein geschütztes, angenehm verwildertes knusperhäuschen mit einem großen abenteuerspielplatz rundherum. das erinnerte mich stark an meine letzte wohnung vor dem omnibus, in einem bauernhof am ende einer sackgasse, ringsum felder.
wir sind ganz liebevoll willkommen geheißen worden und es war mir ein echtes bedürfnis, das zuhause von susanne kennenzulernen. sie hat für uns alle gekocht, während wir uns auf unserer weggabelung heimisch gemacht haben. gleich kamen neugierige menschen.
draußen vor der küchentür von susanne lag wie ein balkon ein großer, abgerundeter feldstein, der sich für unsere nackten fußsohlen von der sonne des tages angenehm aufgeheizt anfühlte. nach einem schönen gemeinsamen essen mußte leon dann losfahren. da waren es nur noch zwei …
für den samstag hatte susanne ein paar leute eingeladen und ich konnte einige wertvolle kontakte knüpfen. es ist wirklich schön hier draußen. wenn nur die agrarindustrie nicht wäre. ich finde susanne’s idee, eine schutzzone um das dorf zu schaffen, sehr überzeugend, und zwar wegen der unabdingbaren praktischen & analogen erfahrungen, die mit einem solchen unternehmung einhergehen.
susanne hatte zwei kuchen gebacken und vor meinen augen mit der hand eine üppige portion sahne geschlagen. es entspannen sich inter-essante gespräche am omnibus. ich würde gern hier oben im osten helfen und verbindungen legen. adressen & kontakte wurden ausgetauscht …
nach dem abendessen gab es ein dramatisches wetterleuchten, und ich konnte mich knapp nur mit dem weißen strampelanzug bekleidet in den omnibus retten, bevor das in ein heftiges gewitter und prasselnden regen überging. dann habe ich mich noch bis in die nacht hinein intensiv mit jan über seine pläne unterhalten.
lückenfüller
es war wieder ganz heiß & grell am freitag. am nachmittag ist mathias gefahren (eine der weitest möglichen strecken in deutschland – er wird die ganze nacht über fahren). für die arbeit hier war er eine art wunderkind. mir ist er immer herzlich willkommen.
dann waren es nur noch drei gutmütige riesen: kilian, jan & leon, der bei uns geschlafen hatte und uns am abend noch zu unserem nächsten ziel begleiten wollte (das lag in seiner richtung).
so ein schöner tag
heute nachmittag ist leon mit dem auto vorbeigekommen – und weil maike heute morgen abgereist ist, habe ich jetzt hier eine band mit vier gutmütigen riesen.
nach der arbeit sind wir zum strand hinter prora gefahren, das in großen teilen in die klauen von immobilienspekulanten gefallen ist und überhaupt nicht mehr für die öffentlichkeit zugänglich. wir sind vor einem tor gelandet, das nur die typen mit den fernbedienungen öffnen können (vorführeffekt: es kam auch gleich ein riesen-bmw-suv großkotzig angebrettert, für den wir mit unserem popeligen golf fast unsichtbar waren).
aber weil der strand da so gut ist, haben die nazis ja die massentierhaltung genau dort ausprobiert.
und die jungs haben sich mit einem ball dort so richtig ausgetobt. das wasser war überraschend warm und hat meinen füßen beim waten & schauen sehr gut getan.
dieses bandfoto ist dann im schicken seebad binz entstanden, wo wir einen bummel gemacht und bei gosch lekker gegessen haben.
zurück im omnibus bin ich dann überhaupt nicht zum schreiben gekommen, weil wir noch lange intensiv geredet und zwei kannen tee getrunken haben (es gibt also wieder lükken, die ich nur vielleicht füllen werden kann …).
antonia
so ist sie vor zwei jahren wie eine fröhliche märchenfee bei uns aufgetaucht in bad urach, wo sie mit ihren eltern ferien machte. sie wohnt in halle. sie war damals 16 und wollte unbedingt am abend mit uns was unternehmen. sie hat eine flasche wein mitgebracht und uns zu einer denkwürdigen wanderung zu einem wasserfall animiert. sie hat uns jeden tag besucht und zuverlässig aufgemuntert. hippie-prinzessin habe ich sie insgeheim genannt.
und sie taucht im menschenleeren sassnitz auf – auf klassenfahrt nach geschafftem abitur. sie hatte zwei nette freundinnen dabei und mischte sich einfach unter eine berufsschulklasse von kaufleuten, die von einer engagierten lehrerin aufgrund des zeitungsartikels herbeibeordert wurden – drei bis fünf von ihnen haben wir mit unserem vortrag erreicht. die lehrerin war ein inter-essantes exemplar einer ddr-frau. alle welt weiß, wie sehr ich die liebe.
antonia hat sich erst zu erkennen gegeben, als die schülerinnen weg waren und uns allen mit ihrer schönen art den tag gerettet. ich konnte mich dann sogar an ihren namen erinnern. in dieser guten stimmung hatte ich noch ein herzerfrischendes gespräch mit einer resoluten kölnerin, die wahrscheinlich etwas älter war als ich. ihr völlig desinteressierter mann hatte gefälligst abzuwarten, bis sie sich in bestem einvernehmen und mit den besten wünschen von uns verabschiedet hatte. sie hat sich nicht nur in die telefonliste eingetragen, sondern mir gleich einen fünfzigeuroschein in die hand gedrückt. damit sollen wir uns was gutes tun.
ich habe ihr gesagt, wie sehr ich mir mehr frauen ihrer art wünsche, aber ich war mal wieder nicht so geistesgegenwärtig, ein volkfoto von ihr zu machen.
es war ein goldener tag.
uralter buchenwald
wir haben heute gegen drei aufgehört, unseren wassertank befüllt und lkw-diesel getankt, um vor dem baldigen abschied von maike & mathias die insel ein wenig erkunden zu können. das summierte sich zu einer ausgiebigen rundfahrt durch sehr alte alleen, zum teil bucklig gepflastert … ich liebe das, obwohl es volle konzentration auf das fahren erfordert. weil ich mich ohnehin bemühe, immer so aufmerksam wie möglich zu sein, fällt es mir immer leichter, ohne zu zögern zu improvisieren. das löst die spannung und ich kann sorgenlos & unbekümmert die schönheit der alleen mitempfinden.
an dem berühmten kreidefelsen haben wir 20 euro parkgebühren bezahlt und die berühmten ausblicke genossen:
und sind im jasmunder buchenurwald herumgelaufen. mir ist das spiel der horizontalen besonders aufgefallen.
überall zwischen den die buchen kennzeichnenden vertikalen:
die insel ist riesig & urtümlich … und am ende sind wir 80 kilometer durch reichhaltige landschaften gefahren.
es hat allerdings so schön geschaukelt, daß kilian & maike oben in der aussichtskanzel selig geschlummert haben, während ich da unten kurbelte. aber das ist ja auch eine art
nichts los
heute morgen hats geregnet – da kam nun wirklich niemand mehr. also haben maike & mathias mit dem schiff einen ausflug zu den kreidefelsen und zum königsstuhl unternommen und dabei inter-essante kleinigkeiten erfahren.
derweil konnte ich kilian kennenlernen & einweisen – er fügt sich ganz organisch ein in das geschehen am omnibus und hatte ganz konkrete inhaltliche fragen zu unserer arbeit. dankbar hat er das heft mit dem volksabstimmungsranking angenommen, um sich sofort darin zu vertiefen. er geht ganz selbstverständlich in seine gespräche hinein und hört sehr aufmerksam zu. er ist der schwarm aller frauen, weil er ein schöner wilder ist: schon wieder ein männliches rollenvorbild – was ist los mit mir?
als die anderen wieder da waren, bin ich meinen fragen über sanddorn (eine faszinierende pionierpflanze) und rügener heilkreide (ist bestandteil in vielen em-produkten) nachgegangen und habe ein paar spezialitäten gekauft, die es nur hier gibt. zum beispiel sanddorn-meerrettich und einen die abwehrkräfte stärkenden sanddorn-tee. ich trinke immer beim schreiben eine ganze kanne earl grey – vielleicht sollte ich das einmal variieren. und als ich erfahren habe, daß die insel schon in der steinzeit besiedelt war, habe ich mir noch ein buch über die vorchristliche geschichte rügens gekauft.
am abend hat maike zum letzten mal für uns gekocht: ein fisch-risotto mit zander. köstlich. wie die meisten ihrer kreationen war das ein gelungenes debüt. die kleine chefin:
anschließend habe ich noch einen ausgedehnten abendspaziergang gemacht – heute ist sommersonnenwende und gestern war vollmond – der mond ging dann auch malerisch im nordosten auf.
morgen werden wir vielleicht etwas früher aufhören und eine kleine inselrundfahrt mit dem omnibus machen, bevor wir uns in bergen plazieren …
wie im vorigen jahr auf sylt, wo wir das jeden abend gemacht haben. aber sylt ist auch wie ein laufsteg geformt und längst nicht so groß und vielfältig wie rügen. in zukunft möchte ich gerne auf den inseln frei herumfahren und den omnibus herzeigen und öffentlich machen. und wo sich was ergibt die türen öffnen.
dafür gibt es wahrscheinlich keine genehmigung und ich frage mich, ob wir das nicht einfach mal auf risiko unangekündigt ausprobieren sollten.