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hofgut kreuma
in schönstem intuitiven einvernehmen mit malte bauer, einem sproß des dottenfelder hofs, haben wir den OMNIBUS an die einzig richtige stelle bugsiert, obwohl dafür ein paar felsen an die seite gerollt werden mußten.
da bade ich jetzt in der landwirtschaft – ich habe nicole & malte kennengelernt, die verantwortlichen bauersleute. wir hatten viele persönliche anknüpfungspunkte und „verwandschaft“ über drei generationen verteilt. aber alle um mich herum sind sehr beschäftigt – also halt ich mich zurück mit fragen und weiß noch nichts genaues über den betrieb. heute war der hofladen geöffnet und ich habe den stehtisch rausgestellt, ein paar gespräche geführt und in einem buch über „regenerative agriculture“ gelesen, was ich als gewaltfreie landwirtschaft übersetze. für alle, mit allen, durch alle. es freut mich vor allem, zu erfahren, daß ausgerechnet in den usa immer mehr farmer zu dieser wirtschaftsweise umsteigen und für ihren mut reich belohnt werden …
bis zum frühen nachmittag tobte & kreischte eine schulklasse um den OMNIBUS herum und – höflich fragend – durch den OMNIBUS. sie kamen von einer waldorfschule, die im moment in containern haust und muster von handlungspädagogik entwickelt – noch eine verbindung zum hof penthe und zu peter guttenhöfer und der veranstaltung im september …
der klang der kinder war wie ein springbrunnen.
das wetter ist weiterhin verrückt – ein tag knallend heiß – ein tag sonnig kalt – und der vollmond naht …
allein
da bin ich mit den grenzgebieten des machbaren konfrontiert. nichts da mit lokker & lässig. heavy duty. himmelweit entfernt vom groove einer gut eingespielten band. ich muß alles alleine machen. einmal habe ich den OMNIBUS für ein paar minuten abgeschlossen, um die toilette der eisdiele zu benutzen und mir ein eis zu holen.
eingedenk meiner rückenschmerzen habe ich mich in letzter zeit nicht an den außenaufbauten beteiligt – wir haben einfach passanten gefragt. da war es eine bewährungsprobe, mir nur von einer person mit dem schweren stehtisch helfen zu lassen – die ich gut überstanden habe. ich habe einige frauen gefragt, ob sie mir auf ihrem hypothetischen rückweg eine zeitung mitbringen könnten – eine hat das ganz selbstverständlich gemacht, nachdem sie unterschrieben und sich in die telefonliste eingetragen hat. zeige deine wunde !
fast den ganzen tag knallte die sonne erbarmungslos. da schwellen meine füße und mir wird manchmal schwindlig. also habe ich im OMNIBUS alle türen & fenster geöffnet, auf daß im schatten ein lüftchen wehe – es ist schließlich niemandem zuzumuten, länger als eine viertelstunde in der prallen sonne zu stehen. also habe ich mich im schatten in die tür gestellt und erfolgreich meine traktorstrahlen auf die passanten gerichtet.
gleichzeitig mußte ich herausfinden, wo genau das hofgut kreuma ist und wie ich aus der stadt herauskomme. es ging abwechslungsreich 50 km durch jungfräuliche landschaft – bis zur autobahn auf halber strecke. der diesel wurde knapp und ich habe die prompt auftauchende raststelle genutzt, um zu tanken und mich für den rest der strecke zu orientieren. bin dann in irgendeinem dörfchen in der nähe gestrandet, wo mir zwei freundliche radfahrerinnen erklärt haben, wie ich in einem großen bogen von hinten ans ziel komme – am ende über gepflasterte straßen …
als ich um halb neun ankam, waren die entscheidenden personen ausgeflogen und mir wurde ein provisorischer platz angeboten, wo das hinterteil des OMNIBUS von der seite in die fahrbahn hineinragte. da hab ich eine seltsame nacht verbracht und bin um sechs uhr aufgewacht, aber nicht aufgestanden.
ich bin erst mal heilfroh, daß die beiden tage in wurzen ausgefallen sind und ich hier zur besinnung kommen kann.
riesa
gestern abend sind wir in riesa gelandet – soweit wir sehen – ein hübsches städtchen an der elbe – mit dem ungeschminkten charme des ostens. wir hatten keine lust, zu kochen, sind durch die einkaufsstraße gebummelt und haben griechisch gegessen. auf dem rückweg gings durch einen klassischen park mit uralten bäumen zur elbe, die wir unbedingt noch sehen wollten …
… und wir haben uns von hinten herangeschlichen:
heute war danilo’s letzter tag und ich werde ab morgen für sechs tage allein unterwegs sein – das kitzelt im bauch. zum glück ist wurzen ausgefallen und ich fahre zurück in die landwirtschaft – zum demeter hofgut kreuma – weiß der himmel, wo das ist …
unser platz ist prima – vielleicht sind wir (der OMNIBUS & ich) morgen in der zeitung. ich hoffe, mir hilft jemand bei tischen & stühlen.
das flamingo hemd
heute habe ich zum ersten mal das flamingo hemd angehabt, das lisa mir mit den worten: „wenn es dir nicht gefällt, verschenk es an jemand anderen.“ geschenkt hat – ich hab laut gelacht und mich tierisch gefreut!
und es macht auch spaß, damit rumzulaufen …
in stein gemeißelt
gemeinsam mit mutter natur.
voll des heiligen geistes
schon wieder verbringe ich die pfingsttage in der landwirtschaft – das ist das einzig echte leben – gerade habe ich einige bücher über regenerative landwirtschaft gelesen – bin also theoretisch voll auf dem laufenden: da brenne ich darauf, mit bäuerinnen & bauern von mensch zu mensch zu sprechen und habe tausend fragen …
dieser melkstand ist so konstruiert, daß der melker die ganze kuh von der seite sieht – und jede kuh unabhängig von der reihenfolge rein & raus laufen kann. ich war im siebten himmel. friedrich, ein jungmeisterbauer, der mittelfristig in die betriebsgemeinschaft einsteigen möchte, hat uns durch den betrieb geführt. ich habe ganz viel direkt aus der praxis erfahren – wie der stand der dinge ist – und auf meine vielen fragen sehr inspirierende & ermutigende antworten bekommen.
aus berufenem munde. und weil pfingsten die feier des heiligen geistes ist, taucht bei mir das bild einer gewaltlosen landwirtschaft auf, bei der alle beteiligten lokker lassen und sich dem leben hingeben könnten. wenn das keine ausgeburt des heiligen geistes ist, dann verstehe ich die ganzen feierlichkeiten nicht mehr …
das volle spektrum – mir sind die oben sympathischer, aber wir sollten alle beteiligten freundlich und vor allem friedlich einbeziehen – alle haben recht und krieg ist immer falsch. das gilt auch immer mehr für meine arbeit mit den menschen. ich zähle mich solidarisch zu den „kleinen leuten“, die die ganze zeit STILL den laden am laufen halten. die sind meine primäre zielgruppe. den „kulturellen überbau“ halte ich für ein krankhaft entartetes system, in dem niemand verantwortlich ist, das aber unbarmherzig totalitäre gewalt anwendet. kulturelle gewalt als steigerung von struktureller gewalt. da wirkt die blutige gewalt gleich ganz märchenhaft – damit überfüttert das system uns über die digitalen medien, die mir immer mehr wie hinterhältig ausgeklügelte waffensysteme vorkommen.
für alle, mit allen, durch alle ! ihr seht, ich habe einen gewaltigen epistemologischen stau – die saxentour ist schon jetzt für mich ein voller erfolg, abgesehen von lauter wehwehchen, über die ich rumquengeln könnte, wenn ich wollen würde …
aber ich bin voll des heiligen geistes !
hoywoj
das ist die big brother perspektive auf unseren platz in der sozialistischen musterstadt – manche der übrig gebliebenen plattenbauten sind richtig hübsch:
am dritten tag ist der oberbürgermeister zum OMNIBUS gekommen und hat sich aktiv für unsere arbeit interessiert – er hat uns ganz überschwänglich einen besseren platz in der altstadt angeboten und glaubhaft zu erkennen gegeben, daß er in seinem amt voll bei der sache ist und sein bestes gibt. im stadtrat hat die afd eine satte mehrheit, die aber unentschlossen verharrt. er ist ein erfahrener verwaltungsmann und spd mitglied. wir haben beschlossen, nach möglichkeit eine veranstaltungswoche zu planen, für die er uns alle möglichen türen öffnen würde. er hat mit größter selbstverständlichkeit für die bundesweite volksabstimmung unterschrieben und sich ohne zögern in die liste der förderkandidaten eingetragen.
der OMNIBUS hat sich schnell rumgesprochen und wir haben wunderbare menschen kennengelernt, die glaubhafte zeitzeugen waren. balsam für mein wunderfitziges herz. ich hab mich in dieses bluesige hoywoj verliebt.
gute nacht
verrücktes wetter
bei strömendem regen sind wir über die dörfer nach hoyerswerda gefahren, von den einheimischen liebevoll „hoywoj“ genannt – eine kombination aus dem deutschen & sorbischen ortsnamen. wir stehen auf einem weiten platz vor der lausitzhalle, mit eloxierten scheiben wie beim mutwillig zerstörten palast der republik. inmitten einer sozialistischen musterstadt, zu der das 750 jahre alte städtchen wegen des braunkohlekombinats „schwarze pumpe“ ausgebaut wurde. von 7.000 einwohnern nach dem zweiten weltkrieg bis zu 70.000 einwohnern am ende der ddr, von denen heute noch etwa 30.000 übrig geblieben sind. mehrere plattenbaukomplexe sind schon „rückgebaut“ worden, was wegen der fernwärme- und elektrizitätsnetzwerke ziemlich aufwendig ist.
wir waren sofort von balzenden teenagern umringt, die einsteigen und nicht glauben wollten, daß wir im OMNIBUS leben.
am vormittag war es dann erst mal 13 grad kalt. ich bin total neugierig auf die stadt, habe es aber – weil wir nur zu zweit sind – gerade mal in die konsumhölle geschafft, um eine toilette aufzusuchen – die gestern abend weit & breit nicht zu finden war.
aus den umliegenden, gut restaurierten plattenbauten haben vorwiegend alte menschen den OMNIBUS entdeckt, deren wache intelligenz & lebenserfahrung uns ziemlich beeindruckt haben. auch ein redakteur der lokalen tageszeitung hat uns „zufällig“ entdeckt und gleich ein längeres gespräch mit mir geführt.
am nachmittag war dann plötzlich die sonne wieder da und wir konnten uns entpellen.
dresden neustadt
meine ahnung hat sich am ersten tag bestätigt – erst ganz allmählich belebte sich der platz mit menschen, die ihre hunde ausführten – allerdings kamen gleich am morgen einige mitglieder vom mehr demokratie landesverband sachsen, die mit einer unterschriftensammlung die regierenden parteien an ihre versprechungen in den koalitionsvereinbarungen erinnern wollen – und wir hatten ausführlich gelegenheit, uns kennenzulernen und unsere erfahrungen auszutauschen, was für meine praktische feldforschung im osten sehr aufschlußreich war, besonders, wenn es sich um im osten sozialisierte menschen in meinem alter handelte. deren erzählungen lausche ich besonders gern – wie ich als kind unermüdlich den geschichten der alten zugehört habe …
alle haben sehr mitfühlend auf die schilderung unserer notlage reagiert und fanden es selbstverständlich, daß uns mehr demokratie helfend unter die arme greifen sollte. einige haben sich auch sofort auf unserer fördererliste eingetragen.
es war brüllend heiß und wir standen den ganzen tag in der sonne. obwohl ich nur ein ärmelloses hemdchen anhatte, wurde mir manchmal ganz schummerig und ich mußte mich am tisch festhalten und aufpassen, nicht in ohnmacht zu fallen.
am frühen nachmittag belebte sich der betrieb crescendoartig und wir hatten intensive gespräche mit interessierten menschen – die erst gegen zehn uhr abends sanft ausklangen. im kerzenschein haben wir uns noch ein kleines abendbrot zubereitet – da haben immer noch menschen aus der dunkelheit ihre nasen an die scheiben gedrückt und mit den daumen nach oben gewiesen.
in der nacht gab es ein urtümliches gewitter mit sintflutartigem geprassel, das schon nicht mehr romantisch war.
die neustadt ist die altstadt von dresden – nämlich der teil der stadt, der von dem apokalyptischen feuersturm im februar 1945 verschont geblieben ist – ein hipper kiez, in dem – wie in prenzlauer berg – fast alles in reichweite mit analem geschmiere überzogen ist und die exotischsten speisen aus aller welt angeboten werden. erst heute bin ich überhaupt dazu gekommen, mir auf der langwierigen suche nach manitou ein bild davon zu machen … auch mit hübschen entdeckungen.
das wetter war heute viel angenehmer und meinen dicken füßen hat der spaziergang gut getan.
also:
wenn dresden, dann immer wieder gern hier – mit angepaßten arbeitszeiten:
12:00 bis 22:00 uhr.