meine nostalgische postkarte
meine nostalgische postkarte
wir waren von der verwaltung auf einen neuen platz verbannt worden und mußten morgens ab neun uhr einfahren, weil ein elektronisch gesteuerter fetter poller versenkt werden mußte – deshalb haben wir nur eine nacht auf diesem platz verbringen können. sehr ungewöhnlich für zwei tage in einer stadt.
ich hätte mir mal wieder alle sorgen sparen können, denn dieser platz war viel schöner als der touristenrummelplatz, auf dem wir vorher immer gestanden haben – direkt am ufer neben schaukelnden segelbooten …
aus der schweiz rollten dramatische wetterfronten über uns hinweg – zwischendurch immer wieder heiße sonne – eine märchenoper, die mit regen und zehn grad celsius endete.
wir waren uns einig, daß wir in zukunft nur noch diesen platz haben wollen – die ungewohnte anfahrt verlief ganz lässig. am nachmittag kam carl aus der schweiz zurück und wir haben in einem alteingesessenen restaurant regionale köstlichkeiten gegessen. das gemüse stammte vom andreashof. regine & carl lernen sich gerade zum allseitigen vergnügen besser kennen. wir lachen viel & herzlich.
mit regine läuft die arbeit wie am schnürchen: das verrückte huhn & der spinner – das ideale trio.
der omnibus strahlt zufrieden. außen & innen.
… nach drei ereignisreichen jahren brigid wieder zu sehen. von ihr habe ich gelernt, wie wichtig gute laune ist. ich konnte sie ausführlich von der anderen straßenseite studieren: sie begrüßte alle mit einem unwiderstehlichen glockenhellen „hallo“ und brach alle rekorde …
sie macht eine ausbildung zur gemüsegärtnerin in einem der drei vernetzten demeter höfe – da macht mein herz einen freudigen hüpfer elementare praxis – ich liebe bäuerinnen. wenn wir friedlich miteinander leben wollen, sind das die wichtigsten leute. ich kann also brigid zu ihrer wahl nur aus vollem herzen beglückwünschen.
und dann war auch noch – völlig unerwartet – ihr von mir so schmerzlich vermißter bruder carl mit zeh dabei – geschwister, mit denen ich mich jeweils auch rundum verschwistert fühle.
diese „persönliche postkarte“ widme ich dankbar unserer bande !
pfingsten auf dem andreashof war eine erholsame heimleuchtung, wir konnten in den leerlauf schalten und frei dahingleiten. wir haben einige geschwister kennengelernt und hatten – nebenbei – eine erfolgsquote von 100 prozent. auf dem hof war feiertagsbetrieb in hofladen & cafß© und immer wieder klopften menschen bei uns an. wir legten unsere bücher beiseite und schalteten in den ersten gang und konnten uns einloggen in das fein gesponnene netzwerk der antroposofinnen am bodensee und uns einstimmen auf unsere tage in überlingen, wo zur landschaftlichen idylle der industrielle tourismus hinzukommt …
leider war unser gastgeber nicht da, auf den ich mich speziell gefreut hatte, weil er für drei lebendig verflochtene landwirtschaftliche musterbetriebe die hauptverantwortung übernommen hat. ich bin brennend an allen einzelheiten & akteurinnen interessiert und wollte die beschäftigten nicht befragen. so konnte ich nur ungelenkt herumstreunen …
es gab viel schönes zu entdecken, eingebettet in die sanften hügel oberhalb des bodensees, dessen nähe überall deutlich zu spüren ist. wir haben uns da wohlig eingenistet und der spinner war in seinem element.
das untere bild gehört zu meiner laufenden camouflage serie – da bin ich schon ganz „drin“.
ich werde mich für immer dankbar an diese schönen tage erinnern.
in kempten standen wir weithin sichtbar vor einer konsumhölle, leicht abseits von der schönen altstadt. am zweiten abend haben wir zusammen mit barbara, die für ein paar tage schnuppern wollte und donnerstag abends zu uns gestoßen ist, in einem traditionellen restaurant lekkere regionale spezialitäten gegessen. bedient wurden wir von einer freundlichen & selbstbewußten frau im dirndl – draußen, unterhalb von einem brunnen.
wir standen die meiste zeit im schatten und konnten uns auch über publikumsmangel nicht beklagen, aber das führte nicht zu entsprechend vielen gesprächen. ich hatte den eindruck, daß die reaktion auf den omnibus stark verlangsamt war und womöglich erst zündete, wenn die menschen schon mitten in der konsumhölle waren.
seit ich im allgäu bin, sinne ich darüber nach, wieso ich solche schönen landschaften immer mit „wohlstand“ assoziiere – das ging mir schon in marktoberdorf durch den kopf. die menschen sind modisch gekleidet und fahren fette autos – alle annehmlichkeiten sind in reichweite, da kümmert es wenig, was draußen in der welt passiert. die landschaft macht die menschen in einer schönen wexelbeziehung zufriedener. sie ahnen nichts von einer auf sie zu rasenden ökologischen & sozialen katastrophe. auch nicht nach zwei jahren coronairrsinn & razismus.
gleichzeitig inspiriert die üppige landschaft auch die landwirtschaftliche avantgarde, wofür der andreashof ein leuchtendes beispiel ist. er wird auch „rosenhof“ genannt.
ein mann, der möglichst wenig datenspuren hinter sich lassen will, schaufelte uns aus vollen händen münzen rüber – wir haben herzlich gelacht über diesen handel: alle beteiligten fühlten sich füsiologisch erleichtert. volle dosis gute laune.
vorher: ein etwa sechzigjähriger, freundlich lächelnder sparkassendirektor hört mir geduldig & aufmerksam zu, auch, als ein hyperaktiver mann uns penetrant von der seite reinredete … er gab mir umstandslos seine telefonnummer, zückte seine geldbörse und reichte mir mit den worten „fürs erste mal“ hundert euro, damit wir sofort etwas davon hätten … wunderbar!
an einem arbeitstag, der mit einem gewitter endete. mitten im gewitter sind wir losgefahren, durch den bis zur schmerzgrenze idyllischen allgäu richtung bodensee. ab lindau brach die sonne durch die wolkendecke. wir konnten die schweizer alpen sehen – voll die romantik.
mit dem mut zur lükke will ich nur vermelden, daß wir auf dem andreashof angekommen sind, wo die lichtwurz kultiviert wird – eine heilige oase, in der wir die pfingsttage verbringen. ich bin mal gespannt, ob der heilige geist lauter zu mir sprechen wird als sonst immer.
ein kleines städtchen, mit wohlhabend breiten häusern und einer öffentlichen toilette, die rund um die uhr geöffnet ist. wow – das ist leider selten der fall. mir also sehr sympathisch. der platz war prima – das wetter sehr wexelhaft – pralle sonne – kalt – regen. es war wenig los und die drei tage zogen sich schleppend lang hin.
ich habe versucht, herauszufinden, wie viele omnibusse diese gewaltige granitskulptur wiegt und mußte feststellen, daß man hier weiterhin nur verstümmelt in die rathäuser reinkommt. am telefon konnte mir niemand meine frage beantworten. kann mir jemand auf die sprünge helfen ?
mangels menschen bin ich mit dem ergebnis unzufrieden und unzufrieden, daß ich unzufrieden bin. mich tröstet das erleben der filmburg …
seit ewigen zeiten war ich mal wieder im kino – und zwar im hübschesten kino, das ich kenne: die filmburg – gebaut, als ich fünf jahre alt war. in etwa so lange, wie ich mit dem omnibus unterwegs bin, getragen & aktiv kultiviert von einem verein kunstsinniger menschen, von denen wir zwei sympathische protagonistinnen kennengelernt haben.
auch der film war ein wahrer glüxtreffer: „der waldmacher“, den volker schlöndorff über tony rinaudo gedreht hat, einen australischen agrarwissenschaftler, der lange in niger lebte und die ökologischen probleme der sahelzone am eigenen leib erfahren hat. er hat beharrlich nach möglichkeiten gesucht, die verwüsteten landschaften wieder lebendig zu machen. er hat herausgefunden, daß unter dem verdorrten boden wurzelnetzwerke liegen, die sich wieder aktivieren lassen. in der sahelzone hat er ganze landstriche begrünt und erklärt heute afrikanischen bäuerinnen die möglichkeiten der agroforstwirtschaft. das nenne ich avantgarde!
afrika ist seit jahren mein herzenskontinent – also hat dieser film mich ganz besonders beeindruckt.